Die Stimmung war durchwachsen, als die MZ am 28. Oktober Manacor besuchte, kurz vor Beginn des lokalen Lockdowns: Einige Befragte in Mallorcas zweitgrößter Stadt meckerten, viele konnten die Maßnahmen wegen der hohen Corona-Inzidenz aber nachvollziehen. Bei einem erneuten Besuch am Mittwoch (18.11.) ist die Stimmung dagegen umgeschlagen. Nach nunmehr dreiwöchiger Abriegelung des Ortskerns sind viele Einwohner und vor allem die Unternehmer frustriert.

„Die Leute haben es so etwas von satt. Und wir Gastronomen erst recht", sagt David Serra, Geschäftsführer der Bar Mig i Mig an der ­zentralen Plaça Sa Bassa. Man mag es kaum glauben - an den Café-Tischen auf dem Platz wimmelt es von Menschen, die ihren Kaffee in der Vormittagssonne genießen. „Ja, sie bestellen einen Kaffee, mit Glück noch ein halbes ­Baguette, jetzt, wo die Temperaturen es zulassen. Aber das war's. Nachmittags kommt man sich in Manacor vor wie in einer Geisterstadt. Und das Geschäft mit dem Abendessen, das am meisten Geld einbringt, ist komplett gestorben", schimpft Serra.

Seit dem 29. Oktober dürfen gastronomische Betriebe in Manacors Zentrum ihre Kunden nur noch im Außenbereich bedienen. Um 22 Uhr - zwei Stunden früher als im Rest Mallorcas - ist Sperrstunde, keiner darf mehr auf die Straße. All das bringt der lokale Lockdown mit sich, der eigentlich zunächst für zwei Wochen angesetzt war, dann aber auf Anordnung der Balearen-Regierung um weitere 14 Tage bis zum 26. November verlängert worden ist.

Grund sind die noch immer hohen Infek­tionszahlen im Zentrum. Zwar sank die Inzidenz der Neuinfektionen der vergangenen 14 Tage von 1.054 auf 525 pro 100.000 Einwohner (Stand: 15.11.), auch die Positiv-Testquote liegt derzeit bei 8,4 Prozent (zuvor: 24,4 Prozent). Wie die Balearen-Regierung am Dienstag (17.11.) aber in einer Pressemitteilung betonte, liegen die Werte immer noch deutlich über dem Balearen-Schnitt

Dass die Verlängerung des örtlichen Lockdowns die Geduld vieler Unternehmer überstrapaziert, ist deutlich zu erkennen. In fast ­allen Schaufenstern hängt ein Schild in grellem Orange: „Es traspassa Manacor al complet" („Manacor komplett abzugeben"). Rund 250 Unternehmen machen bei der Protestaktion mit und wollen so ihren Frust über zwei weitere Wochen Abschottung zum Ausdruck bringen, berichtet Sebastiana Vadell. Ihrem Mann gehört in vierter Generation die kleine Konditorei Ca'n Rosa, deren Auslage ebenfalls von einem der Protestschilder verdeckt ist. „Wir haben sehr viele Kunden von außerhalb, die nun ­wegfallen, das macht sich beim Umsatz sehr deutlich bemerkbar."

Auch Tom Riera, Inhaber des Cafés Karma Coffee & More gleich um die Ecke, hält seinen Unmut nicht zurück. Statt 20 Tischen im Innenbereich des Lokals darf er momentan nur die fünf Außentische bedienen. „Ich verzeichne gut 70 Prozent Verlust. Und das, ohne ­wirklich nachvollziehen zu können, was diese Maßnahmen bringen. Wir halten uns doch an alle Hygienemaßnahmen und lüften durchgängig, warum darf ich da nicht zumindest ein paar Innentische haben? Sobald es nachmittags kühler wird, kann ich dichtmachen", sagt er. Als einzig positiven Aspekt des Lockdowns sieht er die Solidarität der Bürger. „Viele Anwohner konsumieren extra auswärts, um uns zu unterstützen, und sei es nur mit dem Kauf eines Getränks."

Wie aufs Stichwort macht vor dem Café auch ein hochgewachsener Mann halt: Miquel Oliver, Més-Politiker und seit 2019 Bürgermeister von Manacor. Ihm ist der Stress der vergangenen Wochen anzusehen: Er koordiniert nicht nur die Umsetzung der von der Landesregierung diktierten Auflagen, sondern bekommt auch den Frust der Einwohner hautnah mit - wie er die MZ bereitwillig beim kurzen Vormittags­snack vor dem Café Karma erzählt. „Ich kann den Unmut der Unternehmer verstehen", sagt er.

Erst Anfang der Woche hatte Oliver öffentlich die Politik der Balearen-Regierung kritisiert, am Dienstag (17.11.) forderte er in ­einem Treffen mit Vertretern des Gesundheitsministeriums, den Lockdown so schnell wie möglich aufzuheben - vergeblich. „Wir im Rathaus fühlen uns alleingelassen", so ­Oliver. Seine Kritik gilt vor allem der Abrie­gelung der Stadt. „Wir haben 36 Ein- und ­Ausfahrten, die momentan nur Menschen mit Autorisierung passieren dürfen, aber bei Weitem nicht genug Beamte der Orts- und ­Nationalpolizei, um entsprechende Kontrollen durchzuführen." Unterstützung von ­außerhalb gebe es nicht. Die Folge sei, dass ­weder die Abriegelung lückenlos funktioniere - auch die MZ kam ungehindert ins Zentrum - noch die ­Olivers Meinung nach viel wichtigere Kontrolle zur Einhaltung der Auflagen innerhalb des Stadtgebiets. „An Halloween gab es mehrere Zwischenfälle, weil ­Jugendliche sich in Gruppen nach der Sperrstunde trafen. Aber wir konnten es nicht ­unterbinden, weil uns das Personal fehlte."

Um die gebeutelten Unternehmer zu unterstützen, habe man bereits 300.000 Euro ­Soforthilfen für die am stärksten betroffenen Betriebe bereitgestellt, weitere 800.000 Euro seien in Rabattgutscheine geflossen, die Bürger kostenlos erwerben und in den Läden vor Ort einlösen können. Auch Oliver weiß, dass das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. „Hoffentlich ist der Lockdown am 26. November vorbei. Wenn er noch einmal verlängert wird, wandere ich aus", bemerkt der Bürgermeister mit Galgenhumor.Protest-Karavane am Abend

Am selben Abend, an den Sportstätten Miquel Àngel Nadal: Wie die MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" berichtet, kommen zahlreiche Selbstständige, Einzelhändler und Gastronomen in ihren Autos auf dem Gelände zusammen, um ihren Protest gegen die Abriegelung weiter zum Ausdruck zu bringen. Viele Anwohner applaudieren. "Solange sie den Lockdown nicht aufheben, werden wir das jeden Tag tun", kündigt Mateu Català, Vorsitzender des örtlichen Einzelhandelsverbands an.

Genau wie seine Mitstreiter fordert er zudem wiederholt ein Treffen mit der balearischen Gesundheitsministerin Patricia Gómez und der balearischen Ministerpräsidentin Francina Armengol. "Es reicht, dass sie unsere Kunden nicht nach Manacor lassen. Die Situation ist nicht auszuhalten." Was Català zufolge am meisten Unmut generiert, sei die Tatsache, dass niemand aus der Balearen-Regierung ihnen zuhöre. "Wenn sie uns wirklich einsperren mussten, finden wir das gut, denn Gesundheit geht vor. Aber es kann nicht sein, dass niemand mit uns redet und uns die Gründe erklärt oder uns Hilfen anbietet. Die Coronazahlen sinken, aber der Lockdown wird trotzdem nicht aufgehoben", beschwert sich Català.

Die Unternehmer fühlten sich von der Politik "verraten", vor allem, da sich die Vertreter der Balearen-Regierung nach dem Treffen mit Manacors Bürgermeister am Dienstag (17.11.) nicht wie von den Händlern gefordert mit ihnen zusammen setzte. "Sie kamen heimlich und mieden uns."