Die Not auf Mallorca wächst nahezu täglich - und der Winter steht noch bevor. Rund 33.000 Bewohner der Balearen leiden jetzt schon unter extremer Armut, weitere 320.000 seien von sogenannter relativer Armut betroffen, konstatiert UIB-Professorin Maria Antònia Carbonero in einer dieser Tage vorgelegten Studie zur Situation in der Corona-Pandemie. Das bedeutet, sie haben Schwierigkeiten, ihre materiellen Bedürfnisse zu decken. Und das, obwohl viele von ihnen berufstätig seien, so Carbonero. Mehr als die Hälfte der Bedürftigen beziehe weder die auf den Balearen existierende Sozialhilfe noch das in diesem Jahr von der spanischen Zentralregierung eingeführte Mindesteinkommen.

Und so sind viele Menschen, um über die Runden zu kommen, auf private Initiativen angewiesen. Davon gibt es auch immer mehr mit deutscher Beteiligung (siehe E-Paper). Ob und inwiefern eine Plakataktion in Palma eine weitere Hilfsaktion ankündigt, ist dagegen derzeit noch unklar. In der Nacht auf Freitag wurden mehrere Hundert Zettel und Plakate an Hauswänden, Denkmälern oder auch Brücken der Ringautobahn angebracht. Darauf zu lesen waren Botschaften wie „Ayúdanos @ ayudar" (Hilf uns zu helfen) oder auch „Famílias, autónomos, mayores sin recursos sin ayudas" (Familien, Selbstständige, ältere Menschen ohne Mittel, ohne Hilfen). Dass der Initiator ein Deutscher sein soll, war schon kurz nach dem Auftauchen der Botschaften Stadtgespräch und wurde so auch von mehreren mallorquinischen Medien vermeldet, darunter der Zeitung „Última Hora". Das Blatt beruft sich dabei auf einen Sprecher der Aktion, der erklärt habe, dass der Initiator momentan noch anonym bleiben wolle.

Ein Sprecher der Lebensmittelbank Banco de Alimentos glaubt, ihn zu kennen, will den Namen aber nicht nennen. „Ich bin mir sicher, dass es sich um einen Deutschen handelt, der bereits bei verschiedenen Essensausgabestellen in Palma mitgearbeitet hat."

Wie die MZ aus dem Umfeld der Tafeln erfuhr, tauchte kürzlich ein groß gewachsener Mann im Bayern-München-Trikot an einer der Ausgabestellen auf. Er habe in der Schlange wartende Bedürftige angesprochen und gefragt, ob sie Interesse hätten, sich mit dem Aufhängen von Plakaten etwas Geld zu verdienen. Einige seien auf das Angebot eingegangen. So etwas sei nicht ungewöhnlich. Es kämen immer wieder Leute, die sich Arbeitskräfte in der Schlange suchten, beispielsweise für Wohnungsräumungen. „Última Hora" berichtet, dass der Initiator jedem, der Plakate aufhängte, 50 Euro gezahlt habe. Die Aktion habe zwischen 6.30 Uhr und 8 Uhr stattgefunden.

Dass der Drahtzieher ein Deutscher ist, vermutet man auch bei der Ortspolizei von Palma. Ein Sprecher bestätigt der MZ, dass die Beamten einen Deutschen ausfindig gemacht haben, der verdächtigt wird. Ob er für die Aktion belangt wird, ist noch unklar. „Das entscheidet ein Richter", erklärte der Sprecher.

Was Sinn und Zweck der Plakatierung ist, kann sich der Sprecher der Banco de Alimentos nicht erklären. „Das Ganze wirkt wie eine Kritik an der Regierung, aber ich halte das für den falschen Weg. Man muss mit der Regierung zusammenarbeiten, statt gegen sie zu schießen." „Última Hora" schreibt mit Verweis auf den Sprecher der Aktion, dass diese zunächst einmal lediglich auf die Notlage vieler Menschen aufmerksam machen will.

Nach MZ-Informationen soll es nicht bei der einen Plakataktion bleiben. Im Umfeld der Tafeln rechnet man damit, dass es bald eine weitere Kampagne geben wird.

Das Rampenlicht meidet auch die Fundación Kalonge. Sie ist einer der Hauptunterstützer der Tafel Tardor, die am Mittwoch (2.12.) ihre zweite Obdachlosenunterkunft, das „Llar Kurt" im Gewerbegebiet von Son Castelló eröffnet hat. Kurt und Inge heißen die Wohnheime nach den Gründern von Kalonge. „Ihre Nachnamen kenne ich nicht. Die Enkelin der mittlerweile verstorbenen Gründer lebt auf Mallorca. Die Stiftung hilft weltweit und hat ihren Hauptsitz in Liechtenstein", sagt Jonny Darder, Präsident von Tardor.

Während im „Llar Inge" hauptsächlich alleinerziehende Frauen mit Kindern und Seniorinnen untergebracht sind, finden im „Llar Kurt" obdachlose Männer ein Zuhause. Das Wohnheim finanziert sich selbst. Die Miete beträgt 200 Euro im Monat. Dafür gibt es Reinigung, Essen und Hygieneartikel. Wer nicht zahlen kann, muss sich seinen Schlafplatz mit Arbeiten im Wohnheim verdienen. Drogen und Alkohol sind strengstens verboten. 65 Plätze bietet Kurt, 45 Inge. „70 Personen haben wir auf einer Warteliste, weswegen wir schon nach einer dritten Unterkunft suchen", sagt Darder. Kalonge kam für den Umbau der Lagerhalle auf, die Möbel stammen von der Initiative „Yachting Gives Back".