Patricia Guasp (Palma, 1977) ist seit September Koordinatorin und Fraktionssprecherin der liberalen ­Partei Ciudadanos im Balearen-Parlament. Kurz vor ihrer Ernennung erkrankte sie an ­Covid-19. Sie lag drei Tage mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus.

Wie haben Sie das Virus erlebt?

Ich hatte das ganze Paket an Symptomen, wie Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns, Atemprobleme und habe lange eine große ­Erschöpfung gespürt, vor allem bei meinen Reden im Parlament. Und ich habe, wie viele andere, die Angst mitgemacht, eine so neue, unbekannte Krankheit zu haben.

Die Pandemie hat die Inseln zumindest nicht ganz so schwer getroffen wie große Teile des Festlandes. Was hat man hier besser gemacht?

Ich glaube, dass die Insellage zu einem großen Vorteil wurde, auch wenn sie bei anderen Aspekten, wie den Lebenshaltungskosten, zum Nachteil wird. Außerdem ist die Bevölkerungsdichte hier geringer als in den dicht besiedelten Vierteln der großen Metropolen. Ciudadanos hat von Beginn an strikte Forderungen an die Landesregierung gestellt, wie etwa schärfere Kontrollen am Flughafen, Eindämmungspläne für die Schulen, mehr Beteiligung des privaten Gesundheitssystems an der Versorgung der Bevölkerung. Das alles hat dann irgendwann auch ganz gut funktioniert, obwohl man lange Zeit, in Spanien generell, aber auch auf den Inseln, sehr viel improvisiert hat, statt auf die EU zu hören.

Jetzt steht Weihnachten an, und die Debatte, ob nun fünf oder zehn Menschen zusammenkommen dürfen, scheint etwas absurd angesichts der Tatsache, dass jeden Tag ­Tausende Menschen in Europa am Virus sterben. Ist es von den Menschen zu viel verlangt, sich einmal etwas zurückzunehmen?

Es gibt tatsächlich Parteien, wie Vox, die keinerlei Restriktionen wollen. Das halte ich für eine riesige Verantwortungslosigkeit, allein schon die Botschaft, die hier ausgesendet wird. Da haben die Corona-Leugner einen perfekten Anknüpfungspunkt. Damit erweisen uns solche Parteien einen Bärendienst, denn wenn die Menschen sich zu sehr entspannen, wird die Situation wieder umschlagen. Deswegen bin ich klar für Einschränkungen. Und deswegen unterstützen wir zum Beispiel als einzige Oppositionspartei die Restriktionen im Bereich der Mobilität auf den Balearen.

Es sieht so aus, als ob Ciudadanos auf einen moderaten, versöhnlichen Kurs eingeschwenkt ist. Ist das in einem Spanien, das sehr zersplittert ist und stark zu Extremen neigt, eine vielversprechende Strategie?

Spanien ist in zwei große Blöcke gespalten, und wir bewegen uns außerhalb dieser Blöcke. Die beiden Extreme versuchen, aus der Empörung der Menschen Kapital zu schlagen. Und deshalb ist die Arbeit im Parlament manchmal auch wirklich hart. Es gibt viele schwierige ­Momente, ständig schimpft einer auf den anderen, und man will überhaupt nicht zu konstruktiven Vorschlägen gelangen. Das führt ad absurdum, wofür einen die Bürger gewählt haben: Lösungen zu finden. Ich könnte nicht schlafen, wenn ich mir das Tagwerk mancher Parlamentarier anschaue, die häufig rein gar nichts erreichen. Ciudadanos versucht, zu einem Konsens zu gelangen, sei es, ob wir in der Regierung sitzen oder in der Opposition. Ich fühle mich nun mal nützlicher, wenn ich auf die Landesregierung zugehe, statt wie die PP oder Vox nur auf Konfrontationskurs zu setzen. Aber es ist schwierig, in Spanien aus diesem Schwarz-Weiß-Denken herauszufinden, die Diktatur und vor allem das Zwei-Parteien-System sind noch nicht so lange her. Doch es gibt ein großes Potenzial im Zentrum, davon bin ich fest überzeugt. Viele Menschen ­stehen in der politischen Mitte, ohne dass sie es wissen, weil sie sich in der Vergangenheit immer zwischen links und rechts entscheiden mussten.

Der Strategiewechsel war auch pure Notwendigkeit, denn die Wahlen von 2019 endeten für Ciudadanos im Desaster, mit rund zehn Prozent Stimmen - landesweit wie auf den Inseln.

Was damals schieflief, war die politische Strategie und die Kommunikation, denn unser Programm und unsere politischen Grundwerte haben sich ja nicht geändert. Wir waren damals schon dafür, den Sozialstaat oder die Grundrechte zu stärken. Die Menschen scheinen das aber nicht verstanden zu haben. Wir haben Selbstkritik geübt und sind wieder zur Essenz zurückgekehrt, wozu auch eine stark proeuropäische Haltung gehört.

Dennoch distanziert sich Ciudadanos nur bedingt von der extremen Rechten. In Andalusien ermöglicht Vox die Regierung von Ciudadanos mit der PP, auf den Balearen ist Malena Contestí von Vox zu Ciudadanos übergelaufen.

In Andalusien haben wir die PP dazu gebracht, dass Vox keinesfalls an der Regierung beteiligt wird. Andalusien ist ein klares Beispiel dafür, dass sich etwas ändern musste nach 40 Jahren einer sozialistischen Regierung. Aber natürlich würde ich mich wesentlich wohler fühlen, wenn Vox da nicht mitmischen würde.

Wie soll es für Ciudadanos auf Mallorca weitergehen? In der Opposition, der Regierung, vielleicht als Juniorpartner?

Unser Ziel ist es, uns erst einmal zu konsolidieren als einzige liberale Kraft im Zentrum. Wir sind in einigen Gemeinden bereits an der Regierung beteiligt, wie in Llucmajor, Ses Salines oder Sineu. Wir wollen konstruktiv ­arbeiten und treffen uns regelmäßig mit der Regierung, um Vorschläge zu unterbreiten. Und ich denke, wir sehen inzwischen eine deutlich gemäßigtere Francina Armengol (sozialistische Ministerpräsidentin der Balearen, Anm. d. Red.). Das ist sehr positiv für die Balearen, denn in Zeiten der Krise versuchen wir, andere Schwerpunkte zu setzen als die Linksparteien und Juniorpartner der Regierung, wo es häufig um Dinge wie die Sprachen­problematik geht. Und mir scheint, dass ­Armengol zumindest teilweise eher auf uns eingeht als auf ihre Koalitionspartner.

Ihre Partei will auch den Haushalt der Landesregierung unterstützen, etwas, das Ciudadanos der Zentralregierung in Aussicht gestellt hatte, es dann aber doch nicht tat. Sie bleiben bei Ihrer Unterstützung auf den Balearen?

Wir haben 116 Eingaben zu verschiedenen Aspekten des Haushalts gemacht. Das ist unsere Linie - versuchen, Dinge zu verbessern, so weit wir können, aber nicht zu blockieren, denn wir werden damit nichts erreichen.

Welche Verbesserungen schweben Ihnen konkret vor?

Zum Beispiel wollen wir die Hilfen für kleine Unternehmen, den Einzelhandel und Selbstständige in der Krise ausbauen. Für die anderen Branchen gibt es Hilfen, aber die genannten werden immer vergessen. Wir müssen sie schützen, denn sie schaffen viele Arbeitsplätze. Ein zweiter Punkt sind Eingaben für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir wollen mehr finanzielle Hilfen für Familien, die damit die Schulmensen bezahlen können oder mehr Krippenplätze. Darüber hinaus wollen wir das öffentliche Gesundheitssystem mit mehr Geld und Personal ausstatten. Und wir wollen die Ausgaben der Verwaltung zurückfahren. Die Regierung hat in dieser Legislaturperiode die Zahl der Berater um 40 Prozent ­gesteigert. Das sind überflüssige Ausgaben, diese Posten gab es bisher ja nicht. Wir brauchen mehr Ärzte, medizinisches Personal und Lehrer. Wir sind ja keineswegs gegen Stellen für ­Beamte, aber wir brauchen sie in anderen Bereichen, nicht in der Politik.