Die Finca Es Canons zwischen Colònia de Sant Pere und der Siedlung Betlem ist ein reizendes Fleckchen Mallorca - und steht seit dem Jahr 2000 unter Schutz. Das Areal, das die balearische Landesregierung im Jahr 2017 für rund acht Millionen Euro aus Mitteln der Touristensteuer von einer Bau- und Immobilienfirma kaufte, bietet zahlreichen selteneren Tierarten Heimat, etwa Schmutzgeiern, Rotmilanen oder Fischadlern.

Jetzt aber läuft das etwa 180 Hektar große Grundstück, das vom Meer bis in die Hügel des Llevant-Naturparks reicht, nach Meinung von Anwohnern Gefahr, ein Stück seiner Idylle einzubüßen. Der Stein des Anstoßes: Die Balearen-Regierung plant zum nächsten Sommer auf einem rund 13.400 Quadratmeter großen Terrain einen Campingplatz. Bis zu 250 Camper sollen hier täglich aufschlagen, unter anderem soll es Picknicktische und -bänke sowie Feuerstellen geben. Auch kleine Waschräume mit Duschen sowie ein Empfangshäuschen werden errichtet.

Das bringt die Anwohner im Nordosten der Insel in Wallung, so wie Susanne Schier, die in Betlem lebt. Die Anwältin startete auf der Plattform Change.org eine Petition gegen den Campingplatz. Bis Mittwochabend (23.12.) hatten 406 Personen unterschrieben, hauptsächlich Deutsche und andere Ausländer. Schier stört sich vor allem an den Dimensionen des Vorhabens, wie sie der MZ erklärt. „Colònia de Sant Pere hat 550 feste Einwohner und ­Betlem rund 50. Und dann sollen auf einen Schlag 250 Personen dazukommen? Das verschärft unser Wasserproblem drastisch." Bereits jetzt müssten die Bewohner von Betlem im Sommer zwischen 22 und 10 Uhr das Wasser abstellen, berichtet Schier.

Und Andrea ­Lorenzen, eine weitere Deutsche, die in Colònia de Sant Pere lebt und Schier bei ihrer Petition unterstützt, warnt: „Das Wasser kommt aus einer Quelle in den Bergen, das ist nicht beliebig vermehrbar." Dazu die Müllproblematik. „An den Wochenenden ist Betlem ­zugeparkt mit den Autos der Wanderer, die auch gleich an den Parkplätzen ihren Müll ­entsorgen", heißt es im Text zur Online-Peti­tion. Man sorge sich auch um die kleinen, nahezu unberührten Buchten zwischen Colònia de Sant Pere und Betlem, die „dann auch zerstört und zugemüllt werden".

Immaculada Ginard hat ebenfalls eine ­Online-Petition gestartet. Die Mallorquinerin erreicht damit vor allem die Einheimischen und hatte am Mittwochabend bereits 1.728 Unterzeichner gesammelt. Ihr geht es eher um das große Ganze, den Wert der Küstenlandschaft von Artà, unter anderem für die Artenvielfalt.

Eine Unterstützerin der Petition, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, weil sie bei der Regierung arbeitet, sagt der MZ: „Es ist doch nicht normal, dass die Regierung so etwas hier durchziehen will. ­Einen Campingplatz inmitten eines geschützten Gebiets?" Sie stört sich zudem an den ­Plänen, ein bereits eingeebnetes Gelände als Parkplatz herzurichten. Die Umweltschutz­organisation Gob fordert ebenfalls, die Pläne zu verwerfen. Da es sich um das einzige Gebiet auf Mallorca nahe der Küste handle, das Campern zugänglich gemacht werden solle, sei mit einem großen Ansturm zu rechnen.

Und auch die Gemeindeverwaltung von Artà stellt sich gegen das Vorhaben. Eine vom Rathaus in Auftrag gegebene Studie kommt zum Ergebnis, dass das Gebiet ungeeignet für die Errichtung eines Campingplatzes mit einer Kapazität für 250 Personen am Tag ist. "Uns machen die Dimensionen Sorgen", heißt es aus dem Rathaus. Ebenso wie der Gob befürchtet die Gemeindeverwaltung ein reges Interesse der Bevölkerung an dem Campingplatz "in einem besonders fragilen Gebiet, und ohne vorher die in den Umweltschutzrichtlinien vorgesehenen Studien und Planungen gemacht zu haben".

Bei der Landesregierung indes wundert man sich ein wenig über den heftigen Gegenwind. Ein Sprecher betont gleich zu Beginn, dass das Vorhaben „natürlich noch nicht zementiert" ist. Man könne über alles reden, vor allem über die Dimensionen. Außerdem sei wohl auch so manches falsch verstanden worden. Einen Parkplatz wolle derzeit niemand bauen. Der Campingplatz solle nahe einem aufgelassenen Militärstützpunkt entstehen, der in Ruinen liegt. Und das Meer sei einen ­Kilometer entfernt, die Camper würden also keineswegs direkt am Meer übernachten. „Aus unserer Sicht wurde hier eine übertriebene Polemik konstruiert", sagt der Sprecher. Das sehen die Kritiker anders, die demnächst auch auf der Straße Unterschriften gegen das Vorhaben sammeln wollen.