Dass Fischerei und die dazugehörigen Fangquoten Anlass für größere Debatten sein können, wird nicht zuletzt an den fast auch an dieser Frage gescheiterten Brexit-Verhandlungen deutlich. Auch im Mittelmeer gibt es reichlich Konfliktpotenzial, wie nun bei der Festlegung der Quoten und Fangtage der Schleppnetz­fischer Mitte Dezember offensichtlich wurde.

Die Europäische Kommission hatte angesichts eines 2020 begonnenen Fünf-Jahres-Plans für das kommende Jahr eine Reduktion der Fangtage im Mittelmeer um 15 Prozent geplant gehabt. Doch vor allem Spanien und hier speziell die von der Fischerei abhängigen Autonomen Regionen lehnten sich dagegen auf. So auch die Balearen. Zwar gehört die Landwirtschafts- und Fischerei-Ministerin auf den Inseln Mae de la Concha der eigentlich ökologisch gesinnten Linkspartei Podemos an, in diesem Punkt aber schlug sie sich auf die Seite der Fischer, die forderten, die geplante Reduktion der Fangtage für 2021 zurückzunehmen. Null Prozent Rückgang lautete demnach die Forderung der Regionen an den spanischen Minister Luis Planas, der in die Verhandlungen nach Brüssel zog. Am Ende einigten sich die Kommission und die Mitgliedstaaten auf eine Reduktion von 7,5 Prozent - eine Art Kompromiss, bei dem sich die mallorquinischen Fischer aber wie in einem schlechten Film vorkommen.

Domingo Bonnín ist Präsident der balearischen Berufsfischer. Er beklagt gegenüber der MZ, dass die Fischer von der Insel für die Praktiken der Kollegen auf dem Festland bluten müssten. „Auf den Balearen gibt es gerade einmal 34 Boote mit Schleppnetzen, verteilt auf 1.700 Küstenkilometer. Das macht ein Boot alle 50 Kilometer. Auf dem Festland tummeln sich auf 50 Kilometern manchmal mehrere Dutzend Boote", schimpft Bonnín. 7,5 Prozent weniger Fangtage, also etwa 12 Tage weniger im Jahr, würden viele Fischer bereits an die Grenze zur Existenznot bringen, zumal ja bereits in diesem Jahr Einschnitte von zehn Prozent hinzunehmen waren.

Und das sei ja nur der Anfang. Bis 2025 sollen die Fangtage um 40 Prozent im Vergleich zu 2019 reduziert werden. So könnte sich kaum ein Fischer halten, befürchtet Bonnín. Er und seine Kollegen auf den Inseln seien wahrlich nicht der Grund, weshalb das Mittelmeer so stark überfischt ist. Vielmehr sei es so, dass die Studien, die auch rund um die Balearen die Fischbestände in Gefahr sähen, „mehr als diskussionswürdig, wenn nicht gar skandalös" seien. Bonnín meint Berichte der Welt­ernährungsorganisation FAO, nach denen

75 Prozent der Fischarten im Mittelmeer überfischt sind. „Das gilt aber nicht rund um die Balearen", sagt Bonnín.

Die Argumente von Bonnín seien nachvollziehbar und nicht komplett falsch, so Oriol Esteban von der Meeresschutzorganisation Fundación Marilles im Gespräch mit der MZ. „Die Fischer auf den Balearen verhalten sich tatsächlich vorbildlicher als ihre Kollegen in weiten Teilen des spanischen Festlandes", bestätigt er. So könne man auf den Inseln sehr wohl davon sprechen, dass die zahlenmäßig relativ kleine Schleppnetzfischerei beinahe eine Handarbeit sei, im Gegensatz zu den großen Flotten im Atlantik, die vor allem Seehecht oder Hering aus dem Wasser holten. Aber auch so richteten die balearischen Fischer mit ihren Schleppnetzen am Meeresgrund Schäden an und holten mehr Fisch aus den Gewässern rund um die Inseln als der Nachhaltigkeit dienlich wäre.

Deshalb wären aus Sicht von Oriol Esteban die Einschnitte von 15 Prozent das richtige Signal gewesen. Und deshalb ist der Meeresschützer auch von der balearischen Linksregierung „enttäuscht", wie er sagt. Hatte er sich doch aus dieser Ecke mehr Schutz für das

Mittelmeer erwartet.

Domingo Bonnín dagegen will das Argument, dass die Fischer Schäden am Meeresgrund anrichten, nicht auf sich sitzen lassen: „Wir lassen die Schleppnetze nur über sandigem Untergrund arbeiten. Das muss man sich vorstellen wie bei einem Traktor, der das Feld umpflügt, das ist doch positiv für das Feld." Im Übrigen habe man mehrere Kontrollmechanismen an Bord, die verhinderten, dass die Fischer in geschützte Gebiete oder Gegenden mit Neptungras eindringen.

Man versteht die Aufregung der Fischer wohl nicht ohne die Nachwehen der Corona-Pandemie. Weil die Nachfrage nach Fisch aufgrund geschlossener Hotels und Restaurants rapide zurückging, fuhr in den Monaten des Lockdowns jeweils nur die Hälfte der Flotte zum Fischen hinaus. So sollte sichergestellt werden, dass es nicht zu einem Überangebot und damit einem Preisverfall kommt. Weil aber auch der Fisch von außerhalb der Inseln, der normalerweise rund 90 Prozent dessen ausmacht, was auf den Balearen konsumiert wird, nicht auf die Inseln kam, konnten die Fischer von hier höhere Preise erzielen und damit ein Stück weit ihre Verluste aufgrund der geringeren Menge an Fangtagen ausgleichen.

Hier sieht Oriol Esteban den Ansatzpunkt für eine künftige Ausrichtung der Fischerei auf den Inseln. „Es muss wie im Tourismus laufen: weg von der Quantität, hin zur Qualität." Heißt: Die Fischer sollten weniger Tage aufs Meer hinausfahren und dafür eher mit einem balearischen Qualitätssiegel wuchern, womit sie höhere Preise für ihren Fang erzielen können. Das Ziel dürfe nicht sein, einfach so weitermachen wie bisher, sondern sich Innovationen gegenüber offen zeigen.