Dass Journalist derzeit nicht unbedingt ein Traumberuf ist, davon merkt Ángeles Durán zumindest bei ihren Studenten wenig. „Sie sind mit viel Elan bei der Sache, mehr noch als früher", sagt die Journalistik-Dozentin, die an der privaten Hochschule CESAG in Palma arbeitet. Viele der Studenten wollten Start-ups gründen, verdienten sich als Community Manager etwas dazu oder konzentrierten sich auf den Videojournalismus.

Durán ist nicht nur Dozentin, sondern auch Vorsitzende des balearischen Journalistenverbands (APIB). Der Enthusiasmus ihrer Schützlinge steht im krassen Gegensatz zur Situation der Branche, die derzeit eine ihrer schwersten Krisen überhaupt erlebt. Zu lesen ist davon in den spanischen Medien jedoch wenig, Journalisten berichten nun einmal von Ausnahmen abgesehen nicht über sich selbst.

Da war zunächst die wirtschaftliche Krise von 2008, die über Jahre hinweg ihre Spuren hinterließ. Hinzu kommt eine strukturelle Krise - gemeint ist die fortschreitende Digitalisierung und die neue Konkurrenz in Form von Google, Amazon oder Facebook, die Werbung, Kleinanzeigen und Leserschaft abziehen. Und dann schlug im vergangenen Jahr Corona zu: Auf breiter Front brachen Anzeigenerlöse weg, und gerade im Fall der Zeitungen setzte der Shutdown der Auflage zu. Denn die wenigsten Zeitungsleser in Spanien haben ein Abonnement, dank dem die neue Ausgabe jeden Tag im Briefkasten landet.

Allein auf den Balearen sind zum Jahresende laut einer Umfrage, die im Jahresbericht des Madrider Journalistenverbands veröffentlicht wurde, 179 Journalisten arbeitslos. Das sind 121 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, es ist der stärkste Anstieg spanienweit. Dass die Journalisten auf den Inseln besonders betroffen seien, dürfte mit der Abhängigkeit von der Corona-anfälligen Tourismusbranche als Werbekunden zu tun haben, glaubt Durán.

Auch im internationalen Vergleich wiegen die Probleme wegen der hiesigen Rahmenbedingungen schwerer: Spanien hatte nie eine so treue Leserzahl wie in den Ländern Nordeuropas, Journalisten verdienen im Schnitt ohnehin weniger. Und auch bei den Bezahlmodellen im Internet hinken spanische Medien hinterher: Während etwa die „New York Times" ihre Leser längst überzeugt hat, dass die Informationen auch im digitalen Format ihr Geld wert sind, und auf deutschen Nachrichtenseiten die Paywall selbstverständlich geworden ist, sind Bezahlmodelle in Spanien noch eine Ausnahme oder in der Pilotphase.

In der Corona-Krise nun haben die spanischen Kollegen ausführlich über Entlassungen und Kurzarbeit in vielen Branchen berichtet, aber nicht darüber, wie ihre eigenen Dienstzeiten im Rahmen von ERTE-Verfahren reduziert oder Redakteure entlassen wurden, obwohl es gerade jetzt so viel zu berichten gab wie sonst nie. Angesichts wegbrechender Einnahmen bauen Verlagshäuser landesweit massiv Stellen ab, davon betroffen sind auch die Zeitungen der Verlagsgruppe von „Diario de Mallorca" und Mallorca Zeitung.

Verbandschefin Durán spricht bei den verbleibenden Kollegen von Marathon-Arbeitstagen mit bis zu zwölf Stunden und einem 2x1-Phänomen: Dort, wo Stellen wegfielen, müssten die Kollegen die Arbeit irgendwie mitmachen. Die periodistas seien in dieser Hinsicht in der Zwickmühle, schließlich sei es mit dem Berufsethos nicht vereinbar, bei wichtigen Ereignissen auf die Einhaltung der Arbeitszeit zu pochen.

Die Lage ist inzwischen so gravierend, dass Mitte Dezember rund 100 Journalisten auf dem Rathausplatz in Palma unter dem Motto #SOSPeriodistas demonstrierten. „Journalisten sind ein Sprachrohr der Benachteiligten, verschweigen aber ihre eigenen Probleme", hieß es in einem Manifest. Die Medien seien die einzige Branche, die im Lockdown im Frühjahr ihre als essenziell eingestufte Arbeit häufig im ERTE (Kurzarbeit) ausführen habe müssen. Der Appell richtete sich allgemein an die Gesellschaft, sich über die Bedeutung von kritischer Öffentlichkeit und Pluralität klar zu werden.

Auch Durán setzt auf Aufklärung und Bildung als Ausweg aus der Krise. Man baue im neuen Jahr Programme an Schulen aus, in denen Kinder beispielsweise den Unterschied zwischen journalistischer Information und ungeprüfter Information in sozialen Netzwerken lernen. Zudem fordert die Sprecherin neben einer weiteren Absenkung der Mehrwertsteuer öffentliche Hilfen, so wie sie auch andere von Corona gebeutelte Branchen erhielten - Programme nach dem Vorbild nordeuropäischer Länder, die keine Gefahr parteipolitischer Abhängigkeit bedeuteten.