Dieser Artikel erschien erstmals im Februar 2021.

Fast zwei Jahre ist es her, dass die balearische Landesregierung ein Gesetz verabschiedete, das regelt, wie Mallorca und die Nachbarinseln die Ziele im Kampf gegen den Klimawandelerreichen wollen. Jetzt hat sich ein in dem Gesetz vorgesehenes Komitee unabhängiger Experten gegründet, das dafür sorgen soll, dass diese Ziele auch eingehalten werden. „Es geht um Evaluation, um Ratschläge, aber auch um Kontrolle", sagt Sarah Oppenheimer.

Die Britin gehört als Expertin für strategische Kommunikation in Energie- und Klimafragen dem Kommitee an und betont: „Uns ist vor allem wichtig, Transparenz zu schaffen und die Bürger direkt anzusprechen." Schließlich sei die Klimakrise nicht allein durch die Politik zu lösen. „Es bedarf jedes Einzelnen, und wir wollen dafür sorgen, dass jeder Einzelne mitmacht."

Keine leichte Aufgabe. Denn es ist ja nicht so, dass es an Informationen über den Klimawandel und seine Folgen mangelt. Spätestens, seit das Thema im Jahr 2019 auch dank der Schülerbewegung Fridays for Future in den Medien rauf und runter ging, weiß jeder, dass nur noch wenig Zeit bleibt, um der voranschreitenden Erderwärmung entgegenzuwirken. Auch dass sich extreme Wetterereignisse aufgrund des cambio climático häufen und gerade auf die Balearen ganz konkrete Auswirkungen haben, ist bekannt. „Studien zeigen, dass in Spanien das Wissen um den Klimawandel und seine Konsequenzen in der Bevölkerung sehr hoch ist. Aber die Leute wirklich dazu zu bringen, sich in ihrem Alltag anders zu verhalten und alte Gewohnheiten abzulegen, bleibt eine Herausforderung", sagt Sarah Oppenheimer.

Ihre Strategie: Die positiven Nebeneffekte betonen, die eine klimagerechte Lebensweise mit sich bringt. Das lasse sich eigentlich in allen Bereichen anwenden. „Wer sich auch als Ausländer auf der Insel vornimmt, weniger in die Heimat zu fliegen, und stattdessen mehr Zeit auf der Insel verbringt, kann diese Zeit nutzen, um sich vor Ort einzubringen. Wer weniger Fleisch und stattdessen mehr Gemüse und Erzeugnisse von der Insel essen möchte, um den Klimakiller Massenzuchthaltung nicht zu unterstützen, tut mit einer ausgewogenen Diät gleichzeitig seiner Gesundheit und den Produzenten von hier etwas Gutes. Wer Solarzellen auf dem Dach seines Hauses installiert, kann sogar Geld einnehmen, wenn er mal verreist ist und die Energie ins Netz einspeist. Wer mehr Fahrrad statt Auto fährt, hält sich fit."

Und so geht es weiter. Es seien solche Argumente, welche die Menschen eher dazu bewegen, etwas zu verändern, als die bloße Warnung vor Endzeitszenarien. „Dabei geht es nicht darum, die Realität zu ignorieren. Wir werden alle in unserem Leben die Folgen des Klimawandels erleben. Aber dennoch ist es wichtig hervorzuheben, dass es noch

Möglichkeiten gibt, das Schlimmste zu verhindern, und zwar für jeden Einzelnen."

Im comité de expertos setzt man zudem auf Transparenz: „Wir wollen Bürgerversammlungen veranstalten, auf denen die Menschen selbst Ideen einbringen und Fragen stellen können. In anderen Ländern gibt es das bereits, in Spanien ist das Vorhaben aufgrund der Corona-Pandemie noch auf Eis gelegt." Zudem soll alles, was die Politik in den kommenden Jahren an Klimaprojekten plant und umsetzt, auf einer allgemein verständlichen Homepage aufgezeigt werden, ebenso die konkreten Ziele und der Status Quo.

Apropos Status quo: „Zwar ist Applaus fehl am Platz, denn wir starten auf den Balearen mit nur 3,5 Prozent erneuerbarer Energien von einem sehr niedrigen Niveau, aber die Landesregierung ist auf einem sehr guten Weg", so Oppenheimer. Das regionale Klimagesetz sei ambitioniert und habe Pioniercharakter, und auch in der konkreten Umsetzung gebe es bereits Lichtblicke - etwa die Eröffnung zahlreicher neuer Solarparks auf der Insel oder die teilweise Schließung des Kohlekraftwerks Es Murterar in Alcúdia. „Die Inseln sind dank der kurzen Distanzen ideal für Innovationen", findet die Optimistin Oppenheimer. Nicht nur die Elektromobilität sei hier einfacher als anderswo - „kaum jemand fährt mehr als 300 Kilometer am Tag" -, auch bei der Energiegewinnung seien die geringen Entfernungen ideal, um eine Dezentralisierung herbeizuführen. „Dann passiert auch nicht mehr so etwas wie 2019, als wegen eines Unwetters auf Menorca auf der halben Insel der Strom ausfiel, nur weil eine Hochspannungsleitung beschädigt war."

Selbst auf berechtigte Ängste, wie den Jobverlust Tausender Mitarbeiter bei der Schließung klimaschädlicher Einrichtungen hat Oppenheimer eine Antwort. „Der Übergang von schmutziger zu sauberer Stromerzeugung mag Arbeitsplätze überflüssig machen, er schafft aber auch ganz viele neue Stellen. Der Gewerkschaftsbund CCOO rechnet auf den Balearen mit bis zu 20.000 Arbeitsplätzen im Bereich erneuerbare Energien." Die Belegschaft des Kraftwerks Es Murterar habe das nach der Teilschließung erlebt und sei weiter beschäftigt geblieben.

„Auf den Balearen haben wir den Willen, die Werkzeuge und bereits konkrete Lösungswege, um den Klimawandel zu bremsen, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns", resümiert Oppenheimer. Sorge bereitet ihr und ihren Kollegen im Klima-Komitee vor allem, dass bisher kein Budget für ihre eigene Arbeit vorgesehen ist. „Wir hoffen, dass von der Landesregierung noch Gelder kommen. Wenn nicht, müssen wir auf Spendenkampagnen umschwenken. Aber ohne Geld kann das Komitee vermutlich wenig von dem bewirken, was wir uns vorgenommen haben."

Mit Oppenheimer im Komitee sitzen Pau de Vílchez (stellvertretender Leiter des interdisziplinären Klimawandel-Labors an der Balearen-Uni), Ivan Murray (Doktor der Geografie an der UIB), Núria Marbà (Wissenschaftlerin am Meeresforschungsinstitut IMEDEA), Ramon Pujol (Dozent an der Fakultät für Industrielles Ingenieurswesen und Bau der UIB), Gabriel Jordà (Forscher des Centro Ocenaográfico der Balearen), Ana Digón (Expertin in ökologischer Landwirtschaft) und Aitor Urresti (Generaldirektor für Energie und Klimawandel in der Landesregierung).