Die Corona-Inzidenz auf den Balearen sinkt und sinkt. Inzwischen liegt der Wert über sieben Tage pro 100.000 Einwohner bei rund 63. Für Mallorca bezifferte der neue Sprecher der Landesregierung, Iago Negueruela, den Wert am Montag (15.2.) mit 55,02 - was auch ziemlich genau dem derzeitigen bundesdeutschen Durchschnitt entspricht.

Die Ausgangssituation ist also ähnlich. Doch bei der Frage, wie es mit den Restriktionen weitergehen soll, gibt es deutliche Unterschiede. Während Deutschland - auch auf Drängen der dortigen Wissenschaft - mindestens bis zum 7. März im Lockdown bleibt, beginnen die Balearen und einige andere spanische Regionen, in denen die Inzidenz teilweise noch deutlich höher ist als auf den Inseln, mit ersten Lockerungen.

Zwar bleiben Bars und Restaurants bis mindestens 2. März geschlossen, und die Osterprozessionen auf den Inseln wurden bereits abgesagt. Aber seit Montag (15.2.) dürfen die großen Einkaufszentren zumindest unter der Woche wieder öffnen. Die kleinen Geschäfte waren ohnehin nicht geschlossen, ebenso wenig wie die Schulen und Kindergärten. Anders in Deutschland: Dort bleiben zumindest bis zum 22. Februar die Kinder noch im Distanzunterricht, und der Einzelhandel ist geschlossen.

Der Druck aus Wirtschaft und Gesellschaft auf die Politik wächst hier wie dort - nur haben offensichtlich in Deutschland die Experten, also Virologen, Biologen und Epidemiologen, mehr Gewicht als in Spanien. Kanzlerin Angela Merkel orientiert sich bekanntermaßen an den Empfehlungen etwa von Christian Drosten. Hierzulande warnte der oberste Corona-Sprecher der Zentralregierung, Fernando Simón, am Montag (15.2.) anhand einer komplett in Rot eingefärbten Landkarte von Spanien vor einer zu frühen Lockerung der Beschränkungen. Schließlich sei das ganze Land noch Hochrisikogebiet.

Auf Mallorca wird Javier Arranz nicht müde zu wiederholen, dass eine Öffnung so langsam wie möglich vollzogen werden müsse. Ihm pflichtet der Arzt und Professor für öffentliche Gesundheit Joan Carles March bei. In einem Beitrag im „Diario de Mallorca" schreibt March: „Das Schlechteste, was wir machen können, ist die Restriktionen fallenzulassen und eine Öffnung wie im Juni durchzuziehen. Wir wollten wieder Urlauber hereinlassen in einer Situation, die nicht vollständig unter Kontrolle war, obwohl wir damals eine Inzidenz von weniger als 10 Fällen hatten." Spanien und die Balearen müssten nach Ansicht von March auf eine Inzidenz von 25 Fällen pro 100.000 Einwohner kommen - in einem Zeitraum von 14 Tagen. „Es steht viel auf dem Spiel, und die Beschränkungen zu schnell aufzuheben, kann uns in eine vierte Welle führen." Vor diesem Szenario warnte auch Javier Arranz am Dienstag (16.2.).

Auf der anderen Seite stehen die Existenzängste in den von den Restriktionen betroffenen Branchen. So zogen einige Wirte nun vor den Obersten Gerichtshof der Balearen, um eine Klage gegen die geltenden Corona-Restriktionen anzustrengen. Noch unklar ist, ob sie angenommen wird. Im Baskenland führte eine ähnliche Initiative zu einer einstweiligen Verfügung gegen die Auflagen. Vielen Gastronomen steht das Wasser bis zum Hals, finanzielle Hilfen fließen spärlich.

Die Lage in den Kliniken

Gleichzeitig geben die Daten aus den Krankenhäusern Anlass zur Hoffnung. Stand Mittwoch (17.2.) waren auf den Inseln noch 180 Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung in Behandlung, 83 weniger als noch vor Wochenfrist. Auf den Intensivstationen lagen am Mittwoch mit 110 Menschen 30 weniger als vor einer Woche. Die Zahl der Toten stieg in dem Zeitraum um 32 auf nun 676.

Deutlich entspannt hat sich die Lage in den Seniorenheimen. Dort zeigen die Impfungen Erfolge. Derzeit gibt es 33 aktive Fälle, vor einer Woche waren es 58, vor einem Monat 102. Der Prozentsatz der positiven Tests liegt über die vergangenen sieben Tage bei 3,5 Prozent. Noch vor einem Monat betrug diese Zahl 12,6 Prozent. Und auch der R-Wert hat innerhalb eines Monats von 1,19 auf nun 0,48 über die vergangenen sieben Tage abgenommen.

Weiterhin Ungewissheit herrscht darüber, welche Auswirkungen die Virus-Mutationen auf die Inzidenz haben werden. Fest steht, dass auch auf Mallorca der Prozentsatz vor allem der britischen Mutation stetig steigt. Derzeit sind bereits etwa 40 Prozent der positiv auf Sars-CoV-2 getesteten Personen mit der Mutante B.1.1.7 infiziert. Umso wichtiger ist nach Ansicht der Experten ein weiteres Absenken der Inzidenzen - neben möglichst zügigen Impfungen. Auf den Balearen sind bislang 63.000 Impfdosen angekommen, bis Dienstag (16.2.) wurden davon 72 Prozent verimpft. 19.361 Personen haben bereits beide Dosen erhalten. Inzwischen haben auch die ersten Dosen des Herstellers AstraZeneca die Inseln erreicht.