Es hat einen Hauch von schwarzem Humor, wenn Kunden von Bars auf Mallorca ihrer Bestellung in diesen Tagen den Beisatz para llevar hinzufügen. Denn eine Alternative gibt es schließlich nicht, seit die Corona-Auflagen am 13. Januar verschärft worden sind und gastronomische Betriebe keine Gäste mehr empfangen dürfen. „Manche Wirte erlauben es, Kaffee oder Bier direkt im Eingang zu trinken. Ich habe Kunden verloren, da ich mich an die Regeln halte und es nicht dulde", sagt Carolina Cucoch-Petraello, die die familiäre Bar „Carpe diem" in Palmas Arbeiterviertel Foners führt.

Früher war sie voller Leute. „Pro Tisch habe ich an die fünf bocadillos verkauft. Heute sind es manchmal so viele am ganzen Tag", sagt die Chilenin. Sie hat die traditionell spanische Karte erweitert, um das Angebot attraktiver für Bestellungen zu machen. Doch es kommt nicht viel dabei herum. „An guten Tagen nehme ich 80 Euro ein, an schlechten 25 Euro. Das reicht dann nicht mal, um neue Waren nachzukaufen." Und nur wenige Leute halten an, um sich einen Kaffee zu holen. „Für die Kunden waren die Bars ein Treffpunkt. Niemand holt sich das Frühstück in einer Bar, um es dann zu Hause zu essen." Auch die Kooperation mit dem Lieferdienst Glovo brachte keine Besserung. „Die verlangen 30 Prozent von allen Einnahmen. Zudem zahlen sie nur im Monatsrhythmus. Ich warte bis heute auf die erste Zahlung", sagt Cucoch-Petraello.

Die Lage in der Gastronomie auf Mallorca sowie auch anderswo in Spanien ist dramatisch. Einige hoffen auf Besserung oder ein baldiges Ende der Restriktionen (geplant ist eine Öffnung der Außenbereiche ab dem 2. März), andere geben auf - und wieder andere ziehen vor Gericht. Im Baskenland haben Wirte erwirkt, dass das Öffnungsverbot der Lokale auf regionaler Ebene gekippt wird. Grund: Es sei kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Öffnung gastronomischer Betriebe und den Infektionszahlen erkennbar. Ein Gericht auf den Balearen hat eine ähnliche Klage der Inselwirte zugelassen.

Spaniens Wirte klagen

Spanienweit bereiten Gastwirte derzeit zudem eine Sammelklage vor, die dem obersten spanischen Gerichtshof vorgelegt werden soll. 700 Gastronomen hatten sich allein in den ersten Tagen angeschlossen, täglich kommen weitere hinzu. Sie fordern von der spanischen Regierung und den Regionen Entschädigungen für die Umsatzausfälle im Jahr 2020 in Höhe von insgesamt 55 Millionen Euro. Ihr Vorbild: Deutschland. Hier bekommen Gastwirte während des Lokdowns 75 Prozent ihres Umsatzes vom Vorjahreszeitraum vom Staat zurück.

Auf den Balearen stehen die beiden großen Branchenverbände Restauración CAEB und PIMEM der Sammelklage positiv gegenüber - auch wenn es sich ausschließlich um Privatklagen handelt und die Vereinigungen nicht selbst tätig werden. Es sei zwar absolut richtig, dass momentan alle gastronomischen Einrichtungen geschlossen haben, findet Alfonso Robledo von CAEB. „Das ist ja überall in Europa so und dass es wirkt, zeigen die fallenden Infektionszahlen. Gleichzeitig braucht es aber einen finanziellen Ausgleich."

„Die 1.500 Euro, die die Landesregierung als Direkthilfe zahlt, retten kleine Unternehmer, die ihr Lokal alleine oder zu zweit führen. Für größere Betriebe sind sie absolut unzureichend", so Robledo weiter. Das sieht Helmut Clemens von PIMEM ähnlich. „Wir haben die geringen Direkthilfen akzeptiert, weil sie dazu beitragen, dass die vielen kleinen Lokale damit durchaus ihre Miete und vielleicht ihre Stromrechnung bezahlen können. Für mittelständische oder große Restaurants reicht es gerade mal, um Klopapier zu kaufen, das ist wie eine Ohrfeige. Wir haben monatliche Fixkosten von 5.000 bis 20.000 Euro", so Clemens. Robledo schätzt, dass bereits 20 bis 30 Prozent aller gastronomischer Einrichtungen auf den Balearen wegen der Corona-Krise für immer dicht machen mussten. Bis zum Sommer dürften etliche folgen.

Durchhalten in Cala Ratjada

Die Schweizer Simone Wenk und ihr Partner Jürgen Lanker denken derweil nicht ans Aufgeben. Mit viel Herzblut betreiben sie gleich drei gastronomische Einrichtungen: Die Restaurants „Heidi Schnitzelhütte" und das „del Mar" in Cala Ratjada sowie die Sechs-Zimmer-Unterkunft „Canyamar Beach Hotel" in Canyamel. Bis die neuen Auflagen am 13. Januar in Kraft traten, waren alle drei Betriebe geöffnet. „Wir wollten zumindest etwas von der verpatzten Sommersaison aufholen, als wir 80 Prozent weniger Umsatz im Vergleich zu den Vorjahren hatten, und auch unserer Mitarbeiter wegen nicht komplett schließen", so Wenk.

Nun blieb ihnen keine Wahl. Allein die „Schnitzelhütte" ist geöffnet und bietet Essen zum Abholen sowie einen Lieferservice an. Wenk arbeitet derzeit alleine mit ihrem Partner. Die 20 Angestellten sind allesamt in Kurzarbeit oder erhalten Arbeitslosengeld. „Die Personalverantwortung ist hoch und belastet", so Wenk. Sie sei aber Optimistin und voller Hoffnung, dass es bald bergauf geht. Trotz der hohen monatlichen Fixkosten und der Tatsache, dass sie nur für das geschlossene „del Mar" die monatliche Direkthilfe von 1.500 Euro erhält. „Aber wir sind in engem Kontakt mit unseren Vermietern, und sie kommen uns entgegen."

Bei der Chilenin Carolina Cucoch-Petraello dagegen ist die finanzielle Lage düster. Bereits seit einem Jahr kann die 43-Jährige die Ladenmiete nicht mehr bezahlen. Auch die Stromrechnung ist sie seit Monaten schuldig. „Das sind etwa 1.000 Euro pro Monat. Ich habe versucht, so viele Geräte wie möglich auszustöpseln. Doch Ofen, Herd, Kühlschrank und die Kaffeemaschine müssen immer im Einsatz sein." Die Miete für das eigene Heim in Son Gual muss ihr Freund stemmen. Wo früher die Kunden saßen, haben sich beide nun ein provisorisches Bett errichtet, um Benzinkosten zu sparen und nicht immer nach Hause zu fahren.

Von den staatlichen Hilfen sieht die Wirtin nichts. „Bars, die Schulden bei den Behörden haben, sind außen vor. Doch wie sollen wir derzeit die Schulden bezahlen?" Manche Wirte hätten versucht, das Geld zusammenzukratzen, nur um dann feststellen zu müssen, dass sie ihren Antrag zu spät eingereicht haben und kein Geld aus dem Topf mehr übrig ist. „Ich bin noch 850 Euro Steuern für eine Mitarbeiterin schuldig, die seit Monaten nicht arbeiten konnte. Das Rathaus hat die Hälfte davon schon von meinem Konto einfach eingezogen." Einer anderen Angestellte musste sie kündigen. Die fällige Abfindung stottert sie in Ratenzahlung ab.

Bis zum Monatsende will Cucoch-Petraello noch warten, ob sich die Situation verbessert. „Sonst bleibt mir nichts anderes übrig, als zu verkaufen und neu anzufangen." Für 60.000 Euro hat sie das Lokal bereits annonciert. Damit wäre die Wirtin zwar schuldenfrei. Doch die Arbeit, die sie in den vergangenen zehn Jahren in die Bar gesteckt hat, wäre mit einem Schlag verloren.