Der Yachthafen von Cala d'Or im Südosten von Mallorca liegt am Donnerstagmorgen (25.2.) keinesfalls verlassen da. Mitarbeiter zahlreicher Reinigungs- und Instandhaltungsfirmen sind dabei, Yachten zu putzen, und an den noch geschlossenen Restaurants entlang der Anlegestellen nehmen Arbeiter kleinere Reparaturen vor. Wer fehlt, sind die Urlauber. Doch auch wenn der Küstenort gerade nicht den Anschein erweckt: Es gibt sie, die Cala-d'Or-Touristen - auch jetzt, in Corona-Zeiten.

„Wir haben immer wieder Buchungen", berichtet Ute Hoffstadt. Gemeinsam mit ihrem Mann Thorsten hat die 52-Jährige im Jahr 2018 einen Neustart gewagt. Die heiteren Rheinländer, die schon in Jugendzeiten ein Paar waren, sich dann aus den Augen verloren und vor wenigen Jahren neu ineinander verliebten, gaben ihr altes Leben auf, um in Cala d'Or ein Unternehmen zur Ferienvermietung auf die Beine zu stellen. Bei Mallorca Privat gibt es drei moderne Apartments in dem Urlaubsort zu mieten, den Thorsten Hoffstadt bereits seit Jahrzehnten immer wieder als Urlauber bereist hatte und der nun sein Zuhause ist. Alle drei Wohnungen sind nicht weit vom Hafen entfernt und liegen in ruhigen Anlagen.

„Wir hatten in den vergangenen Monaten oft Gäste aus Deutschland, die über mehrere Wochen kamen, weil sie aus dem Homeoffice arbeiten. Für sie haben wir extra schnelleres Internet installiert", berichtet Thorsten Hoffstadt. Als gelernter Schreiner und erprobter Handwerker macht er fast alles selbst, seine Frau, eine gelernte Versicherungskauffrau, übernimmt den Papierkram und die Buchungen. Am folgenden Tag erwarten die Hoffstadts in dem Apartment mit Hafenblick sogar eine Familie mit Kindern, die für zwei Wochen bleiben will. „Vermutlich machen die Kids Homeschooling", so Ute Hoffstadt.

Der Wunsch nach Mallorca-Reisen sei ungebrochen groß, vor allem für private Apartments, in denen es kaum Berührungspunkte mit anderen Menschen gibt - ständig kämen neue Anfragen herein, berichtet die Deutsche. Zwar traue sich letztendlich nur ein kleiner Teil der Urlauber, die Reise auch wirklich festzuzurren und anzutreten. Aber es reiche zumindest, um über die Runden zu kommen. Die Entscheidung für Mallorca hat das Paar trotz der Pandemie nicht einen Moment bereut, wie Thorsten Hoffstadt sagt: „Wir sind zufrieden und hoffen, dass dies langfristig vielleicht sogar der Beginn eines Wandels ist, der Cala d'Or guttun könnte - weg vom Massentourismus und All-inclusive, hin zu Urlaubern, die auch die vielen kleinen gastronomischen Angebote schätzen und wahrnehmen und den Ort angenehm beleben."Nicht nur Urlauber zählen

Diesen Wunsch hegt auch Sonny, ein Franzose, der im Ortskern von Cala d'Or erst vor anderthalb Monaten die kleine Pizzeria Bigood eröffnet hat und der MZ nach kurzem Zögern bereitwillig Auskunft gibt. Für ihn sei der Tourismus allein ein zu unsicheres Standbein, betont er. „Man muss etwas aufbauen, das einem das ganze Jahr über Arbeit gibt und das auch Einheimische anspricht. Wenn zusätzlich Touristen hinzukommen - umso besser", findet der erfahrene Koch. Tatsächlich hat er trotz Neueröffnung und Krise gut zu tun: Zwar liegt der Urlaubsort weitgehend verlassen da, nur eine Handvoll Geschäfte hat überhaupt geöffnet. Aber eine Pizza zum Mitnehmen kaufe dann doch der ein oder andere.

Derweil herrscht in der Hotelbranche Frust vor. „Die derzeitige Situation ist eine Katastrophe", sagt Manel Nicolau, stellvertretender Vorsitzender der örtlichen Hoteliersvereinigung, der rund 50 Häuser mit insgesamt rund 12.000 Gästebetten zwischen der Cala Serena im Gemeindegebiet Felanitx und der Cala Santanyí angehören. Auch in normalen Wintern zöge es nicht viele Urlauber nach Cala d'Or und Umgebung. Und nun bereiten die unsicheren Aussichten auf die kommende Saison große Sorgen. „Viele Hotels sind bereits seit September 2019 durchgehend geschlossen", so Nicolau.

Selbst der Robinson Club Cala Serena, der normalerweise ganzjährig geöffnet hat, hatte in diesem Winter geschlossen, will aber am 20. März öffnen, um Besuchern einen Osterurlaub zu ermöglichen. Die Hoteliers kochten derzeit auf Sparflamme, keiner wage umfassende Renovierungsarbeiten, und nur eine Unterkunft, das Eques Petit Resort mit 100 Betten, sei neu entstanden, berichtet Nicolau. „Wir hoffen, dass einige Betriebe Ende April oder Anfang Mai öffnen können, aber vermutlich wird es eher Juni", so Nicolau.

Das einzige Hotel in der Gegend, das momentan überhaupt geöffnet hat, ist das Petit Hotel Sant Miquel im wenige Kilometer landeinwärts gelegenen Ort Calonge. Ein sehr individuell eingerichtetes Schmuckstück, das Inhaber José Miguel Adrover derzeit ganz allein betreibt. Mindestens eines der neun stilvollen Zimmer sei fast immer belegt. „Die letzten Tage hatte ich sogar eine Gruppe deutscher Instagram-Influencerinnen hier, da war das Haus voll", sagt Adrover stolz. Oft kämen auch ausländische Zweithausbesitzer, die nur kurz nach dem Rechten schauen wollen, aber lieber im Hotel unterkommen, anstatt ihr eigenes Heim aus dem derzeitigen Winterschlaf zu wecken. Und an den Wochenenden seien es meist Inselresidenten, die den Weg ins Petit Hotel Sant Miquel fänden.Besser als zu Hause sitzen

Erst im Jahr 2018 hatte Adrover das alte Haus seiner Mutter komplett kernsanieren lassen, um daraus eine Gästeunterkunft zu machen. In Cala d'Or betreibt er zudem seit Jahren eine Auto- und Ausflugsvermietung, die natürlich gerade geschlossen sei. Er habe überlegt, ob es sich lohne, das Hotel offen zu halten. „Aber letztlich ist es für mich besser, hier zu arbeiten, als den ganzen Tag zu Hause zu sitzen", meint er. Durch die Renovierungsarbeiten habe er hohe Schulden, und viele Steuern fielen auch dann an, wenn die Unterkunft geschlossen sei. „Also besser ein paar Einnahmen als gar keine. Es ist, als würde man mit einem Eimer Wasser aus einem vollgelaufenen Boot schöpfen, während auf der anderen Seite erneut Wasser reingekippt wird." Und doch: „Sicherlich gewinne ich so auch Kunden, die in den kommenden Jahren wiederkommen."

Genau wie die Hoffstadts von Mallorca Privat hofft auch er, dass die Pandemie einen langfristigen Wandel für den Insel-Südosten mit sich bringen könne. Hin zu mehr Individualtourismus und weg von den Massen.