Sie sind spezialisiert auf Gutachten und Projektanträge, kennen sich mit Richtlinien, Formalien und Fallstricken aus, und ohne sie fließt zumindest aus Brüsseler Töpfen kaum ein müder Cent: Beratungsfirmen, die der öffentlichen Verwaltung in Spanien bei der Beantragung von Fördergeldern zur Seite stehen. Zwei regelrechte "Kartelle" dieser Firmen hat jetzt die spanische Wettbewerbskommission CNMC aufgedeckt. Eine herausragende Rolle dabei spielte ein ehemaliger Wahlkampfmanager der linksgrünen Regionalpartei Més per Mallorca, Jaume Garau. Zumindest zeitweise an diesem Netzwerk beteiligt war aber offenbar auch Félix Pablo Pindado, derzeit Generaldirektor für EU-Fonds in der Balearen-Regierung, einer der wichtigsten Posten, die es derzeit auf Mallorca und den Nachbarinseln überhaupt gibt. Die Opposition fordert seinen Rücktritt.

Die spanische Wettbewerbskommission sieht es in einem am 12. Mai veröffentlichten Untersuchungsbericht als erwiesen an, dass die Beratungsfirmen sich im Vorfeld der Auftragsvergaben untereinander absprachen und ihre Angebote so aufeinander abstimmten, dass das von ihnen im Vorfeld bestimmte Unternehmen zum Zuge kam. Ihr Geschäftsfeld waren dabei die kleineren, nicht öffentlich-ausgeschriebenen Aufträge, für deren Vergabe der Verwaltung drei voneinander unabhängige Angebote vorliegen müssen. Zahlreiche E-Mails belegen die illegalen Absprachen. Die CNMC spricht von zwei Kartellen: eines, das auf die Aufträge im Norden Spaniens spezialisiert war, und ein weiteres, das spanienweit tätig war. Dreh- und Angelpunkt des nationalen Netzwerkes war das Unternehmen Regio Plus Consulting, das Jaume Garau und seiner Geschäftspartnerin Rocío Cortés gehörte.

Insgesamt manipulierte das nationale Kartell laut dem Bericht zwischen 2008 und 2018 insgesamt 72 Auftragsvergaben diverser Madrider Ministerien und Regionalregierungen, darunter auch der der Balearen. Auf Mallorca und den Nachbarinseln übernahmen Unterfirmen von Garau etwa Gutachten über das Unternehmertum auf den Inseln und das Publikum der Balearen-Sinfoniker.

An 18 der manipulierten Aufträge soll Jaume Garau persönlich beteiligt gewesen sein. Der Mallorquiner, der 2015 eine erfolgreiche Wahlkampagne für seine Partei entwarf und als "Guru" der Insel-Linken galt, war erstmals 2017 in die Schlagzeilen geraten, als sich dank Recherchen der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" herausstellte, dass ihm seine zum Juniorpartner der Regierung avancierte Partei Aufträge zugeschustert hatte.

Der Skandal führte zum Rücktritt einer Landesministerin und beschädigte den Més-Chef, Vize-Ministerpräsidenten und Garau-Freund Biel Barceló so schwer, dass er nach einem weiteren Faux-pas aus der politischen Laufbahn ausschied. Gegen Jaume Garau wurde Anzeige erstattet, die balearische Staatsanwaltschaft ermittelte. Ein Gericht in Palma sah dann 2019 aber keine Anzeichen für Veruntreuung.

Der Generaldirektor Félix Pablo Pindado war bis 2014 Geschäftspartner von Regio Plus. Aus E-Mails, die der CNMC vorliegen, geht hervor, dass auch er von den Manipulationen gewusst haben muss. Nach ihrem Wahlsieg ernannte ihn die Linkskoalition zum Generaldirektor für EU-Fonds, ein Posten, den zuvor Jaume Garau selbst inne hatte.

Pindado gilt als überaus kompetent. Gerade jetzt auf ihn verzichten zu müssen, wo die Gelder des EU-Wiederaufbaufonds beantragt werden müssen, käme für die Landesregierung zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die konservative Volkspartei hat seinen Rücktritt gefordert. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist noch nicht ausgemacht: Die regierenden Sozialisten verweisen darauf, dass er von den Wettbewerbshütern nicht sanktioniert worden ist, Més per Mallorca geht auf Abstand und die dritte Regierungspartei Unidas Podemos will offenbar erst einmal abwarten.

Die Wettbewerbskommission hat den 22 an den Manipulationen beteiligten Firmen insgesamt 5,9 Millionen Euro Bußgelder auferlegt. Das Gros der Strafen betrifft dabei das Kartell im Norden, an dem große Unternehmensberatungen wie Deloitte, PriceWaterhouseCoopers und KPMB beteiligt waren.

Inwieweit die sanktionierten Unternehmen von weiteren öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, muss nun eine weitere Behörde klären. Zu den Beteiligten, die auch persönlich belangt werden, gehören auch die Besitzer von Regio Plus: Rocío Cortés soll 55.000 Euro zahlen, Jaume Garau 35.000 Euro. Ihr Unternehmen ist mit einem Bußgeld von 33.744 Euro belegt worden.