Es ist ein wunderschöner, herbstlicher Donnerstagnachmittag. Wir Medien sind in das Herz der Tramuntana bestellt worden, um aus Valldemossa von den Dreharbeiten zur Verfilmung von „Die Insel der Zitronenblüten" zu berichten, dem im Original „Pan de ­limón con semillas de amapola" genannten Erfolgsroman von Cristina Campos. Als wir eintreffen, ist der Dreh in vollem Gange. Wir müssen uns gedulden und ein Formular mit den obligatorischen Angaben zur eigenen Gesundheit ausfüllen. Dann Temperaturmessung und Ausgabe und Aufsetzen einer speziellen FFP2-Norm-Maske.

Endlich geht es ins Ortszentrum nahe der Kartause, wo die Dreharbeiten in der komplett abgeriegelten Fußgängerzone stattfinden. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, den sonst vor Touristen nur so überquellenden Ort vollkommen ausgestorben vorzufinden - wohl nirgendwo anders auf der Insel spiegelt sich die neue, hoffentlich bald beendete Realität derart extrem wider wie in Valldemossa.

Erneutes Warten, bis uns Medienvertretern ein kleiner Platz seitlich zugewiesen wird, von wo aus wir einen guten Blick auf das Geschehen haben. Allerdings wird uns zugleich mitgeteilt, dass keine Aufnahmen gestattet sind, da just heute die Abschlussszene gedreht wird und der Ausgang des Filmes nicht verraten werden darf. Mich von der schreibenden Zunft stellt dies vor keine größeren Schwierigkeiten, bei den Berichterstattern der Fernsehsender - unter anderem der katalanische TV3 und RTL - setzt jedoch ein hörbares Murren ein („Man hätte uns ja jeden anderen Tag herbestellen können, nur nicht ausgerechnet diesen"). Die freundlichen Mitarbeiter der Produktionsfirma versichern, dass ausreichend Material von anderen Drehtagen zugesendet werden wird.

Also schauen wir zu, ohne etwas zu verraten. Das Team, die Schauspieler und Regisseur Benito Zambrano kommen offenbar gut miteinander klar, Zambrano geht in jeder Szene auf die Schauspieler ein, seine Aura und gute Laune wirken ­ansteckend.

Als wir nach etwa einer Stunde zum Interview gebeten werden, kommt die zweite Überraschung. Anstatt die Medienvertreter wie ausgemacht separat zu empfangen und auf Schauspieler und Regisseur zu verteilen, teilt die Pressesprecherin mit, dass lediglich ein Interview mit Benito Zambrano gewährt wird. Eines für uns alle. Sämtliche Pläne und Vorarbeiten werden augenblicklich über den Haufen geschmissen, jeder Reporter soll möglichst nur eine Frage stellen.

Als Zambrano endlich erscheint, entpuppt er sich auch in dieser Runde als äußerst umgänglicher Zeitgenosse, der gelassen und mit viel Sinn für Humor, eine Tugend welche den meisten Südspaniern mit in die Wiege gelegt worden ist, unsere Fragen beantwortet (s. unten).

Im Anschluss erscheinen die beiden Hauptdarstellerinnen zum Foto-Shooting: die in der Erzählung auf der Insel verbliebene Anna (Eva Martín) sowie die Weltenbummlerin Marina (Elia Galera). Martín hat zwar ihren drehfreien Tag, sich aber dennoch freundlicherweise in Schale geworfen. Als Letztes gesellt sich noch der auch in Natur umwerfend gut aussehende Luxemburger Schauspieler Tommy Schlesser alias Mathias hinzu. Im Film kommt ihm ein wichtige Rolle zu.

Nach gut zwei Stunden ist der Termin zu Ende, und auch die Sonne verschwindet hinter den Bergen. Was bleibt ist ein Geschmack von heiler Welt ohne Masken, ein Anblick, an den man kaum mehr gewohnt ist. Es ist angenehm zu beobachten, dass es trotz der Pandemie doch irgendwie weitergeht.

Interview mit Benito Zambrano

Benito Zambrano ist ein bekannter spanischer Filmregisseur. Gebürtig aus Sevilla (1965), studierte er am dortigen Theaterinstitut Dramaturgie, bevor er anschließend die Internationale Schule für Film und Fernsehen in Kuba besuchte. Den Durchbruch schaffte Benito Zambrano 1999 mit seinem Regiedebüt „Solas", das in fünf Kategorien mit dem Spanischen Filmpreis Goya ausgezeichnet wurde und zudem bei der Berlinale den Publikumspreis erhielt. Nach zahlreichen weiteren Kino- und Fernsehproduktionen gewann er vergangenes Jahr erneut einen Goya für seinen Film „Intemperie" (Bestes adaptiertes Drehbuch). Benito Zambrano dreht seit Ende Oktober in Valldemossa „Pan de ­limón con semillas de amapola".

Die unvermeidliche Frage: Wie dreht es sich unter Corona-Bedingungen?

Es funktioniert alles überraschend gut, bisher gab es im gesamten Team noch keinen einzigen Corona-Fall. Auch das Wetter spielt mit und ist spätsommerlich, das sind fast Studio-Bedingungen. Und sowohl die Einwohner als auch das Rathaus von Valldemossa unterstützen uns sehr.

Welche grundlegenden Unterschiede sehen Sie, wenn Sie diese Dreharbeiten mit welchen vor Ausbruch der Pandemie vergleichen?

Es herrscht eine konstante Unsicherheit, was passieren könnte, wenn morgen einer der Hauptdarsteller positiv getestet wird und die Dreharbeiten bei einem solchen Aufwand verschoben oder abgebrochen werden müssen. Zusammen mit den Masken, Temperaturmessungen sowie PCR-Tests ­bedingt das eine ständige Anspannung. ­Erschwerend kommt hinzu, dass die nötigen Sicherheitsmaßnahmen beachtliche Zusatzkosten verursachen, die man allerdings der Qualität des Filmes letzten Endes nicht ansehen wird.

Was hat Sie dazu veranlasst, „Die Insel der Zitronenblüten" zu verfilmen?

Wenn mir ein Filmprojekt angeboten wird, und ich das Buch lese, muss es immer etwas geben, das mich berührt. In diesem Fall ist es die wundervolle Geschichte zweier Frauen. Es ist zudem ein sehr aktuelles und vielschichtiges Buch.

Inwiefern aktuell?

Das Buch behandelt unter anderem die neuen Formen, die Familie zu verstehen und zu leben. In unserer heutigen Gesellschaft gibt es immer weniger Familien, die über längere Zeit bestehen und ihr gesamtes Leben am gleichen Ort verbringen. Die klassischen Rollenaufteilungen verändern sich ebenso wie die Definition von Mutter- und Vaterschaft.

In der Pandemie gehen die Menschen noch weniger ins Kino und konsumieren noch mehr Fernsehen und Internet als ohnehin schon. Wie bewerten Sie diese Tatsache?

Ich hoffe und vertraue darauf, dass auch wieder das Verlangen verspürt wird, die Filme auf der großen Leinwand und mit ­gutem Sound zu genießen - ebenso übrigens wie das Bier vor oder das Abendessen nach dem Kinobesuch. Generell steht natürlich außer Zweifel, dass die großen ­Gewinner der Pandemie die Internet-Plattformen waren.

Welche langfristigen Auswirkungen wird dies aus Ihrer Sicht haben?

Die grundsätzliche Frage, welche sich hinter dieser Entwicklung verbirgt, ist wie wir die zukünftigen Verhaltens- und Konsumformen unserer Gesellschaft nach dem Ende der Pandemie strukturieren wollen. Viele Menschen kaufen mittlerweile von zu Hause aus ein und arbeiten in den eigenen vier Wänden am Computer. Das trägt zur Vereinsamung bei oder verstärkt sie noch.

Wie könnte man dem entgegenwirken?

Da wir ohnehin schon in einer stark individualistischen Gesellschaft leben, sollten man sich nicht selbst noch zusätzlich mehr Isolation auferlegen. Die Menschen müssen wieder mehr raus auf die Straße, um das Leben zu genießen!