Für viele Deutsche ist der Urlaub an der Playa de Palma ein Traum. Am Strand liegen, am Stehtisch feiern und davon schwärmen, wie schön es doch wäre, das ganze Leben so zu verbringen. „Es ist das Paradies", sagt auch Sebastià Adrover. Der mallorquinische Journalist ist in der deutschen Partyzone aufgewachsen und vermisst die Urlauber sehr.

Nähe zum Meer gesucht

Als er knapp ein Jahr alt war, zogen die Eltern des heute 39-Jährigen mit ihm an die Playa de Palma. „Nach Maravillas", korrigiert Adrover. „Die ganze Umgebung wird oft als Arenal oder Playa de Palma vereinheitlicht. Als Anwohner bestehen wir aber auf die Unterteilung der Stadtviertel." Schon damals gab es den Massentourismus. „Meine Eltern kommen vom Dorf. Eigentlich sind sie nach Maravillas gezogen, um nah am Meer zu sein. Sie mochten aber auch schon immer den Trubel hier in der Gegend." Das Stadtviertel umfasst das Herz der deutschen Urlaubermeile, den Ballermann. „In unserer Straße gibt es aber nur drei Hotels. Das ist vergleichsweise wenig. Wir hatten nie Lärmprobleme", sagt Adrover. „Meine Mutter sagte immer, dass sie sich lieber deutsche als spanische Nachbarn wünscht. Die sind nicht so laut."

Im Kloster zur Schule gegangen

Trotz der Nähe zu den Urlaubern hat die Familie nie im Tourismus gearbeitet. „Mein Vater war Lehrer, heute ist er im Ruhestand. Meine Mutter war ihr Leben lang Hausfrau. Auch von den Nachbarn arbeitet niemand in der Tourismusbranche", sagt Adrover, der selbst als Sportjournalist für die MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" schreibt.

Sebastià Adrover besuchte die Schule des Klosters La Porciúncula. Die weitläufige Anlage, auf der heute auch der deutsche Eurocampus untergebracht ist, liegt am Ende der sogenannten Schinkenstraße (offiziell Carrer Bartomeu Salvà, nach dem Franziskaner, der 1914 das Klostergelände erwarb). Auf seinem Schulweg kam Adrover täglich an den Diskotheken, Bars und feiernden Urlaubern vorbei. „Ich habe mein ganzes Leben Deutsche mit riesigen Biergläsern gesehen. Ich bin zu Schlagermusik aufgewachsen. Für mich ist das etwas Natürliches. Ich habe nie Angst gehabt vor den Deutschen." Die Aussetzer der Urlauber haben ihn nie sonderlich gestört. „Die Mallorquiner pinkeln genauso gegen die Palmen", sagt er.

Wie eine Mutter so ist, war sie grundsätzlich besorgt über das Wohl ihres Sohnes. „Der Tourismus bringt einen Rattenschwanz mit: Diebstahl und Prostitution. Natürlich hat meine Mutter gesagt, dass ich mich von der Partymeile fernhalten soll." Wenn man einem Kind aber etwas verbietet, steigt das Interesse. „Wir sind als Kinder jeden Tag die Straße runter an den Strand gegangen. Der war 200 Meter vom Ballermann entfernt. Natürlich schaut man dann ab und an, was da los ist." Damals war die Strandpromenade noch eine in beide Richtungen viel befahrene Straße. Der kleine Sebastià musste sie an der Hand seiner Mutter überqueren. „Als Kinder haben wir uns auch immer kostenlos mit dem roten Bummelzug herumfahren lassen", erinnert er sich.

Die Jugendlieben waren Deutsche

Mit den Jahren kam der Junge in ein Alter, in dem das Partyleben für ihn interessanter wurde. „Meine ersten Küsse habe ich von deutschen Mädchen bekommen." Brieffreundschaften mit den Urlaubern entstanden. „Ich bedauere es, dass ich nie Deutsch gelernt habe. Aber ich bin immer gut mit Englisch ausgekommen." Zorbas und Riu Palace waren die ersten Diskotheken, die seine Clique regelmäßig besucht hat. Irgendwann gaben sie auch dem Oberbayern eine Chance. „Am Anfang haben wir noch die Nase gerümpft und uns gedacht: Viel zu deutsch." Irgendwann wurde aus der Ablehnung Zuneigung. „Heute ist es einer meiner liebsten Orte. Die Deutschen machen immer Witze: Wenn du Mallorquiner bist, was machst du dann hier?"

Der 39-Jährige genießt die gelassene Stimmung. „Hier ist die Party wesentlich günstiger als in den Bars am Paseo Marítimo. Eine Happy Hour gibt es - außerhalb von Corona-Zeiten, versteht sich - nur hier. Zudem wechselt das Partypublikum wöchentlich. In den Diskotheken in Palma sieht man immer nur die gleichen Leute." Zudem kennt das Urlauberleben keine Arbeitswoche. „Eine Spanierin verdreht die Augen, wenn man mit ihr Montagabend Party machen will. Den Deutschen ist das egal."

Weizenbier und Rum-Cola

So zieht Sebastià Adrover auch mit 39 Jahren noch gern durch die Bars. Die tägliche caña pflegt er eigentlich im derzeit geschlossenen Bierkönig zu trinken. „Der ideale Abend besteht aus Schnitzel, einem Weizenbier und später Rum-Cola. In diesem Aspekt bin ich kein echter Mallorquiner", sagt Adrover und lacht. Bei Familienfesten laufe auch „Atemlos" von Helene Fischer. Wie jedes Jahr hat sich der Mallorquiner auch dieses Jahr im Spätsommer einen Monat freigenommen, um seine Heimat zu genießen. Bei vielen Bars ist er Stammgast. „Man nennt mich den Bürgermeister von der Playa, da ich alle Leute hier kenne. Peter Wackel etwa ist ein guter Freund von mir."

Der Initiative Palma Beach, die sich seit einigen Jahren für mehr Qualität an der Playa de Palma ausspricht, steht er positiv gegenüber. „Die Gäste der Fünf-Sterne-Hotels brauchen auch ihr Angebot. Abends gehen sie dennoch in den Bierkönig und feiern."

Auf die aktuelle Situation angesprochen, verzieht sich die gute Laune des Mallorquiners. „Es ist zum Heulen. Die Politiker haben viele falsche Entscheidungen getroffen. Die Wirte waren bereit, auch strenge Regeln einzuhalten. Auf Spanisch sagen wir: ,han matado moscas a cañonazos' (Sie haben Fliegen mit Kanonenkugeln umgebracht, Anm. d. Red.)." Nur wenige Geschäfte sind dieser Tage noch geöffnet. „Die Bar Zur Krone hält sich wacker. Im Chalet Siena ist aktuell abends noch am meisten los", sagt der Playa-Experte. Und sehnt bereits die nächste Saison herbei, wenn hoffentlich die Urlauber wieder für Trubel sorgen.

Anmerkung: Dieser Artikel erschien erstmals im Oktober 2020 in der MZ