Wenn Antonio Mascaró aus seinem Büro schaut, kann er über schlechte Aussicht eigentlich nicht klagen. Durch die Fenster des kreisrunden Kontrollturms im Club Náutico von s‘Estanyol blickt Mascaró über Dutzende unter ihm vertäute Motor- und Segelboote aufs Mittelmeer hinaus. Oft schweift sein Blick dabei in die Ferne, zum Eiland Cabrera hinüber, dessen grau-blaue Silhouette von Land aus selbst bei schlechtem Wetter noch deutlich zu erkennen ist.

Nur wenn Mascaró entlang der Küste Richtung Nordosten blickt, vergeht ihm an manchen Tagen schlagartig die gute Laune. Weniger als eine Seemeile von seinem Aussichtspunkt entfernt und direkt am Traumstrand Es Trenc liegt der strahlend weiße Yachthafen Sa Ràpita, eine der modernsten und blühendsten Marinas an der Ostküste. Er erinnert den Geschäftsführer von s‘Estanyol stets an seine schwere Aufgabe: die Modernisierung des in die Jahre gekommenen ehemaligen Fischerhafens.

Eines der größten Probleme, mit denen Mascaró seit seinem Amtsantritt vor ein paar Monaten zu kämpfen hat, ist die fehlende Motivation unter den socios, den rund 900 Clubmitgliedern. „Seitdem die Landesregierung im vergangenen Oktober eine seit Jahren beantragte Erweiterung des Hafens endgültig abschmettert hat, ist die Stimmung hier irgendwie gedrückt“, glaubt der comandante. Dass der Ausbau der Marina längst notwendig geworden sei, davon zeuge nicht nur die ständig länger werdende Warteliste für Ganzjahres-Liegeplätze, sondern auch ein zunehmender Platzmangel an Land. An allen Ecken und Enden im Hafenbereich liegen derzeit Boote dicht an dicht gedrängt, müssen repariert, gesäubert oder lackiert werden.

Im Wasser bietet s‘Estanyol lediglich Platz für rund 280 Boote, dazu kommen weitere 100 Liegeplätze für Transitgäste. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Einheimische aus Palma, die den kleinen Hafen an der Südostküste in den Sommermonaten als Sprungbrett für Tagestörns in den maritimen Naturschutzpark von Cabrera nutzen. Yachttouristen verirren sich nach s‘Estanyol nur wenige. Das liegt vor allem daran, dass die Liegegebühren in der Hochsaison mit rund 64 Euro pro Tag (12 Meter) relativ hoch sind. Geboten bekommt man dafür nur wenig. Außer den überalterten Sanitäreinrichtungen gibt es in s‘Estanyol ein Clubhaus mit Bar und Restaurant, das so verschlafen wirkt wie der nur wenige Meter entfernte Dorfplatz des Ortes zur Siesta-Zeit.

Teure Restaurants, mehrere Supermärkte und jede Menge Schickimicki-Ambiente werden dagegen im zwei Kilometer entfernten Sa Ràpita geboten. In dem stets sauber und aufgeräumt wirkenden Yachthafen ist Platz für insgesamt 456 Liegeplätze, die im Gegensatz zu s‘Estanyol allesamt mit Murings ausgerüstet sind. Im gesamten Marina­bereich gibt es zudem kostenlosen Internet-Zugang, ein Wachdienst kontrolliert rund um die Uhr alle Ein- und Ausgänge, und es gibt auch einen kleinen Supermarkt. Das alles für eine Liegeplatz­gebühr (12 Meter), die in der Hochsaison bei 65 Euro pro Tag liegt - also fast genauso viel wie in s‘Estanyol.

Dort kann man zurzeit von einem vergleichbaren Service nur träumen. Antonio Mascaró hat sich dennoch viel vorgenommen. Er will die Clubmitglieder dazu bringen, den Hafen mit Eigenmitteln auf Vordermann zu bringen. Unter anderem plant Mascaró, eine Segelschule ins Leben zu rufen, mit dem der Nachwuchs für den Club herangezogen werden soll. Ein bisher kaum genutzter Tennisplatz links neben dem Clubhaus soll zudem als zusätzlicher Landliegeplatz dienen, und mit der Vergabe von Konzessionen will der Geschäftsführer in Zukunft das mangelnde Service-Angebot im Hafen verbessern. „Die Zukunft wird vor s‘Estanyol bestimmt nicht haltmachen“, sagt er und blickt dabei etwas sehnsüchtig aus dem Fenster, hinüber nach Sa Ràpita, wo die vielen großen Yachten im Sonnenschein schaukeln.