Von Nikolaus Nowak

Spanier kamen in den Wirtschaftswunderjahren nach Deutschland, um Restaurants zu eröffnen, in Fabriken zu arbeiten oder als Haushaltshilfen ein Auskommen zu verdienen. Das Mittelmeerland war arm und bot wenig Verdienstmöglichkeiten, in der alten Bundesrepublik herrschte Überbeschäftigung. 40 Jahre später scheint sich das Verhältnis umgedreht zu haben:

Deutschland hat mit 5,2 Millionen Arbeitslosen einen neuen Nachkriegsrekord erreicht, Spanien vermeldet robuste Wachstumszahlen, die Binnennachfrage will nicht abebben, überall drehen sich die Kräne. Eine große deutsche Zeitung hat es ausgerechnet: Geht der iberische Boom weiter, wird das Königreich den ehemaligen Wirtschaftsmotor Deutschland in sechs Jahren überrundet haben - so wie zahlreiche andere EU-Staaten bereits.

Und was ist natürlicher, als dass nun die Deutschen auf der Suche nach dem immer seltener gewordenen Arbeitsplatz neben den deutschsprachigen Nachbarländern nun nach Spanien kommen? Die niedrigeren Löhne, das bislang noch belächelte Kranken- und Sozialsystem - all dies nimmt sich bei näherem Hinsehen gar nicht mehr so schlecht aus, die Sonne allein ist längst kein Grund mehr, etwa nach Mallorca zu ziehen.

Inzwischen vermittelt sogar die Bundesagentur für Arbeit nach Spanien - höchste Zeit einzusehen, dass der Wohlstand in Europa nicht vom Norden gepachtet ist. Und im Grunde - bei allen Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt - auch ein beruhigendes, ja integratives Zeichen: Wollte die EU nicht ein Raum für den freien Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen sein? Und liegt nicht in der Konkurrenz der Standorte der Schlüssel und der Zwang, die in Deutschland überfälligen Reformen endlich anzupacken?