Über die Idee, Mallorca könnte sich von Spanien lossagen und einer Föderation der katalanischen Länder (països catalans) anschließen, können viele Residenten nur den Kopf schütteln. Wenn sie nacionalistas hören, denken sie unwillkürlich an Nazis, und independentistas ist schon als Wort merkwürdig. Auch jene, die zur Festa de l´Estandard am Jahresende eine spanische Fahne verbrennen, Parolen schreiend über den Borne ziehen und der spanischen Polizei Folter und Mord vorwerfen, kann man schwer ernst nehmen.

Sie sind allerdings nur der radikale, der laute und lästige Flügel eines nicht ganz so kleinen Teils der Gesellschaft, der mit der Unabhängigkeitsidee sympathisiert. Selbst Mitglieder spanientreuer Parteien tun sich schwer, die finanzielle Plünderung des Archipels durch Madrid zu rechtfertigen. Und nach zwei links-regionalistischen Regierungen sind immer weniger Mallorquiner dazu bereit, sich zu entschuldigen, wenn sie ihre Muttersprache verwenden.

Andererseits geht die politische Speerspitze der Unabhängigkeitsbewegung jeder Fanatisierung aus dem Weg. Viele Nationalisten wirken in hohen Funktionen in den Behörden und sind dem Staat gegenüber loyal, während sie außerhalb in aller Ruhe an ihrem Weg-von-Spanien-Projekt zimmern. Es wäre ein Fehler, dieses zivilisierte Verhalten als Mangel an Leidenschaft zu interpretieren. Wenn hier keine Zustände wie im Baskenland herrschen, hat das auch mit dem Volkscharakter zu tun.

Tatsache ist allerdings: In Katalonien ist mit lokalen Volksabstimmungen über die Unabhängigkeit etwas in Bewegung geraten. Auch auf Mallorca wächst der Druck. Und sollte das spanische Verfassungsgericht den Katalanen verbieten, sich Nation nennen zu dürfen, könnte der Leidenschafts-Level entscheidend steigen. Obwohl der Ruf nach Selbstbestimmung auf der Insel ein Minderheitenprogramm ist, schadet es daher nicht, einen Blick auf die Motive und Hintergründe dieser Bewegung zu werfen.