Die in Spanien geäußerten Vorwürfe gegen die deutsche Kanzlerin sind berechtigt. Angela Merkel zögerte zu lange, um Griechenland beizustehen, und bewirkte damit, dass das von der EU gespannte Schutzschild noch teurer wurde. Doch dürfen diese Versäumnisse nicht von einer anderen, härteren Realität ablenken: Spanien kann so nicht weitermachen. Je später es sich dies eingesteht, umso gravierender die Folgen.

Die Party war grandios. Man ließ es so richtig krachen. Inmitten der Euphorie, als alle überglücklich zwischen Seifenblasen aus herrlichen, aber manipulierten Statistiken tanzten, wollte niemand hören, dass es keine Fiesta gibt, die ewig währt, und dass im Morgengrauen der Gang zur Kasse bevorstand. Doch als das Besäufnis seinen Höhepunkt erreichte, brach die Krise aus und rüttelte die Menschen wach: Die Spanier sind nicht so reich, wie sie glaubten. Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas hat es die „Illusion des spanischen Wohlstands" genannt. Es ist weder normal noch tragfähig, dass in Spanien noch vor kurzem so viele Wohnungen gebaut wurden wie in Deutschland, Frankreich und Italien

zusammen.

Jetzt kommt die brutale Vollbremsung. Die Menschen werden weniger verdienen, weil es weniger zu verteilen gibt. Firmen werden Gehälter kürzen, um zu überleben. Die öffentlichen Aufträge werden zurückgehen. Die Renten werden eingefroren, weil sie drastisch erhöht worden sind, obwohl die Beiträge nicht im selben Maße stiegen. Und man wird auf EU-Gelder verzichten müssen. Nachdem Spanien zwischen 140 und 170 Milliarden Euro erhalten hat, ist es ab 2014 mit dem Manna aus Brüssel vorbei. Jetzt brauchte es Politiker, die Klartext sprechen, die die enormen Ausmaße des Problems darlegen und dabei in die Augen schauen. Blut, Schweiß und Tränen. Ein chinesisches Sprichwort lehrt, dass man, um aus einem Loch zu kommen, zunächst aufhören muss zu graben. Mit jeder Minute des Hinausschiebens von Reformen, die den erdrückenden Zahlen der spanischen Realität gerecht werden, schaufelt sich Spanien tiefer in sein Loch hinein.