Es sind nicht wenige deutsche ­Residenten, die jede Beteiligung am demokratischen Prozess auf der Insel für vergebliche Liebesmüh halten. Nachdem ohnehin allesamt korrupt seien, heißt es dann, könne die politische Farbe des wahrscheinlich ebenfalls korrupten neuen Bürgermeisters egal sein.

An dieser Einstellung sind die Medien mit schuld. Die Logik des Nachrichtenhandwerks zwingt nun einmal dazu, das Besondere hervorzuheben. Und Negatives sticht eben oft leichter hervor als das Positive. Wenn in einem Dorf X einigermaßen vernünftig und ehrlich gewirtschaftet wurde, kann das schwer Inhalt einer Meldung sein. Denn das hieße, dass es sich um einen kuriosen und somit berichtenswerten Einzelfall handelt. Dass die Zeitung kein Spiegelbild der Realität ist, sondern eine Interpretation nach den Kriterien einer Nachrichtenredaktion, ist in der Theorie klar, in der Praxis aber verwirrend. Der Knopf, mit dem man die Emotionen ausschaltet, ist aber noch nicht gefunden.

So mag man die Einstellung des Totalverweigerers nachvollziehen, zumal sie sich ja auch in eine allgemeine Politik­verdrossenheit einreiht – und muss sie doch in Frage stellen. Dass man es als Ausländer schwieriger hat, in der Lokalpolitik durchzublicken, dass die Sprachbarriere hemmt, dass die Sitten andere sind und das Wahlvolk hierzulande viel zu viel Toleranz gegenüber Praktiken hat, für die Politiker anderswo metaphorisch gesprochen aus dem Amt geprügelt werden – geschenkt.

Aber welches Recht auf Jammern und Kritisieren hat man noch, wenn man die wenigen Gelegenheiten, gefahr- und mühelos die eigene Meinung geltend zu machen, vorüberziehen lässt? Das Buhlen einiger Inselpolitiker um EU-Ausländer ist ein Hinweis darauf, dass mit uns bereits gerechnet wird, ja gerechnet werden muss. In diesem Sinne: Wer zählen will, muss auch wählen. Schönen Wahlsonntag!