Wissen deutsche Regionalpolitiker, Verbandssprecher, Wirtschaftswissenschaftler und Journalisten auch nur annähernd so gut über die hiesige Politik Bescheid, wenn in Spanien gewählt wird? Natürlich nicht. Die in der aktuellen Printausgabe veröffentlichten Einschätzungen der deutschen Politik seitens mallorquinischer ­Beobachter beeindrucken zunächst einmal durch ihren Kenntnisstand. Da mag einiges durch die eigene parteipolitische Brille betrachtet werden, da mag das eine oder andere Detail nicht ganz stimmen - im Großen und Ganzen aber ist man auf der Insel sehr gut über die Berliner Kräfteverhältnisse informiert.

Das hängt mit der historischen ­Bewunderung Spaniens für Deutschland ebenso zusammen wie mit der Bedeutung der deutschen Urlauber für Mallorca. Vor allem aber spricht daraus das Bewusstsein, dass die politischen Weichenstellungen in Berlin unmittelbare Auswirkungen auf die spanischen Lebensverhältnisse haben können. Als politische Verantwortliche der mit Abstand größten Volkswirtschaft hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble in den vergangenen vier Jahren entscheidenden Einfluss auf den ­europaweiten Umgang mit der Schulden- und Finanzkrise. Für die von ihnen befürwortete strenge Haushaltskonsolidierung ohne größere begleitende Konjunkturprogramme zahlen die südeuropäischen Länder einen sehr hohen sozialen Preis.

Ob dieser Kurs auf mittlere Sicht tatsächlich die versprochene Besserung bringt oder aber diese Gesellschaften um Jahrzehnte zurückwirft, ist noch längst nicht ausgemacht. Die in der Umfrage ebenfalls deutliche Enttäuschung, dass diese für Länder wie Spanien schon fast existenziellen Fragen im bundesdeutschen Wahlkampf nur am Rande eine Rolle spielten, rührt daher. Peer Steinbrück und Angela Merkel dürften sich der Verantwortung Berlins für den Rest Europas sehr wohl bewusst sein. Bei ihren Wählern sieht das anders aus. Sie blicken noch mehrheitlich durch eine rein nationale Brille. Das ist verständlich, aber der Einheit Europas wenig zuträglich.