Hätte sich am vergangenen Wochenende ein mallorquinischer Katholik zum deutschsprachigen Gottesdienst in Cala Ratjada oder Peguera verirrt, wäre er sehr verwundert gewesen - eine Frau hinter dem Altar ist nicht nur in der katholischen Kirche Spaniens nicht vorgesehen. Und noch mehr hätte ihm zu denken gegeben, dass dort erstmal nur eine Kandidatin für das Pfarramt in der deutschsprachigen evangelischen Kirche auf den Balearen predigt, die derzeit gegen zwei weitere Anwärter antritt. Was wohl der Bischof des Bistums Mallorca von dem Konzept halten würde, dass sich Gemeinden ihren Pfarrer selbst aussuchen? Und gar nicht mehr aus dem Staunen käme der mallorquinische Katholik, wenn er am kommenden Wochenende noch einmal vorbeischauen würde: Dann predigt ein Kandidat, der sich zusammen mit seinem Lebenspartner vorstellt.

Dabei wäre natürlich schade, wenn vor lauter Staunen über Basisdemokratie, Gleichberechtigung und gesellschaftliche Modernität das in den Hintergrund gerät, worum es geht - die Möglichkeit, als deutschsprachiger Christ auf Mallorca seinen Glauben in der Gemeinschaft zu ­leben. Debatten über Casting-Modalitäten, Geschlecht oder sexuelle Orientierung der Kandidaten können da schnell vom eigentlichen Ziel ablenken, nämlich dass die evangelische Gemeinde weiter so lebendig und harmonisch wächst wie bisher. Diese Gemeinschaft erfüllt auf Mallorca nicht nur eine seelsorgerische Funktion, sondern übernimmt - in der Ökumene zusammen mit den deutschen Katholiken - soziale Aufgaben im Ausland, für die sich sonst kaum jemand verantwortlich fühlt. Sie schafft so ein Gemeinschaftsgefühl, dass es in der ansonsten individualistischen Deutschen-Community auf der Insel kaum gibt.

Auch in dieser Hinsicht ist die gemeinsame Entscheidung über einen neuen Pfarrer vorbildlich. Wir wünschen uns mehr davon - auch in anderen Bereichen des religiösen und weltlichen Lebens.