Vielleicht haben Sie die Bilder dieser ­Tage im Fernsehen gesehen: Als König Juan Carlos 1975 vereidigt wurde, donnerte es wie auf Kommando durch den mit schwarz bekleideten männlichen Honoratioren vollbesetzten Parlamentssaal „¡Viva el Rey!" „¡Viva España!". Wenn sein Sohn Felipe demnächst den Thron besteigt, ist solche heute geradezu gespenstisch anmutende Einhelligkeit undenkbar. Zwei Gründe dafür liegen auf der Hand, und in beiden Fällen spielt Juan Carlos eine große Rolle. Die spanische ­Gesellschaft hat sich seither grundlegend gewandelt und ist ungleich bunter, demokratischer und moderner als damals - das ist auch ein Verdienst des nun abgedankten Königs. Zugleich ist das Ansehen der Monarchie aber nachhaltig angeschlagen: In den Meinungsumfragen rangiert es ungefähr genauso tief wie das eines weitgehend abgewirtschafteten Zweiparteien-Systems. Auch dafür ist Juan Carlos mitverantwortlich. Er hat zwielichtige Geschäfte mit dem Renommee des Königshauses zu spät unterbunden und auch viel zu lange verkannt, wie sehr die spanische Gesellschaft von der schweren Wirtschaftskrise gezeichnet ist. Wer seine Abdankung jetzt als vermeintlich historische Aufopferung zugunsten seines Landes feiert, darf nicht vergessen, dass dieser Schritt längst überfällig war und auch vielfach gefordert wurde. Doch gibt es auch noch einen dritten Grund, weswegen der ­„¡Viva el Rey!"-Ruf so nicht mehr erklingen wird: Längst nicht überall im Land sind nationale Einheitsrituale wie die Thronbesteigung eines Königs wohlgelitten. Schon gar nicht in Katalonien, im Baskenland und in weiten Teilen der balearischen Gesellschaft. Immer stärkere Fliehkräfte drohen Spanien, wie wir es heute kennen, auseinanderzu­reißen. Von seinem weitgehend repräsentativen Amt dazu beizutragen, dies zu verhindern, ist die große historische Aufgabe für den als besonnen und aufgeschlossen geltenden neuen König Felipe. Eine weitere Herausforderung, das verlorene Vertrauen in das Königshaus zurück zu gewinnen, nimmt sich dagegen schon fast wie ein Kinderspiel aus.