Die Lage in Katalonien spitzt sich immer mehr zu, ganz gleich wie die Schotten sich am Donnerstag (18.9.) in ihrem Referendum über die Unabhängigkeit entscheiden. Selbst ein Nein zur Abspaltung vom Rest Großbritanniens würde die zuletzt stark zugenommenen Unabhängigkeitsbestrebungen am Mittelmeer kaum im Zaume halten. Die massive Demonstration am Nationalfeiertag Kataloniens, der Diada am 11.9., war ein beeindruckender Kraftbeweis der Nationalisten.

Zudem gibt es, mal ganz abgesehen von den unterschiedlichen historischen und politischen Grundlagen, erhebliche Differenzen zwischen dem Referendum in Schottland und der für den 9. November geplanten Volksbefragung zur Unabhängigkeit in Katalonien. Die Regierungen in Edinburgh und London hatten sich auf eine Abstimmung mit einem verbindlichen Ergebnis geeinigt. In Katalonien wollen die Nationalisten auf eigene Faust dem Bürger das sogenannte „Recht auf Selbstbestimmung" gewähren, und das auch noch mit einer konfusen Doppelfrage zum zukünftigen Status dieser ­Kulturnation.

Die spanische Regierung von Mariano Rajoy will das Referendum um jeden Preis verhindern und dafür notfalls sogar die Autonomierechte der Katalanen aussetzen. Doch Rajoy sollte wissen, dass man selbst mit harten Mitteln das Empfinden eines Großteils der Menschen in Katalonien nicht einfach unter den Teppich kehren kann. Um den Konflikt, der ja nicht erst von gestern stammt, lösen zu können, braucht es Gesten und ein beidseitiges Entgegenkommen. Eine Föderalismusreform mit mehr Rechten und Kompetenzen für Barcelona wäre eine Möglichkeit zum Kompromiss, den man sogar einer Abstimmung unterziehen könnte, allerdings unter allen Spaniern.

Wenn aber die Nationalisten auch weiterhin darauf bestehen, dass nur eine vollständige Abspaltung in Frage kommt, und die konservative Regierung Rajoy selbst die geringsten Zugeständnisse an die Katalanen ablehnt, wird es in Zukunft immer schwerer werden, einen mehrheits­fähigen Konsens im Lande zu schmieden.