Es stimmt, und es stimmt nicht, dass Unfälle wie der in Capdepera Ausnahmen sind, wie die sicherlich auch um die Auswirkungen auf ihr Geschäft besorgten Radreise­veranstalter betonen. Im Verhältnis zu der großen Zahl an Radsportlern und -urlaubern, die jährlich auf der Insel unterwegs sind - es dürften mehr als 100.000 sein -, geschieht wohl tatsächlich nicht mehr als anderswo. Und auch anderswo gibt es Menschen, die wie die 28-jährige Anais M. als Kamikaze­fahrer unterwegs sind, wobei das häufig offenkundig damit zusammenhängt, dass sie ihr eigenes Leben nicht im Griff haben.

Zugleich aber sind Verkehrsunfälle, bei denen Alkohol oder Drogen eine Rolle spielen, in einigen Ländern und Gesellschaften wesentlich häufiger als in anderen. Sich im Rausch ans Steuer zu setzen, ist auf Mallorca, ja, in Spanien, den Unfallstatistiken nach zu urteilen, weiter verbreitet als etwa in Deutschland (aber vermutlich weniger als zum Beispiel in Russland). Mit einer zu niedrigen Strafandrohung und zu wenigen Verkehrskontrollen ist das nicht zu erklären. Schon eher mag eine Rolle spielen, dass die Sanktionen zu lange auf sich warten lassen: Wenn die Justiz nicht so sträflich langsam gewesen wäre und Anais M. nicht erst drei Jahre nach ihrem ersten Vergehen ein Fahrverbot auferlegt hätte (das am Unfalltag noch nicht in Kraft war), wäre der von ihr getötete Radfahrer noch am Leben.

Davon abgesehen aber haben hier zu viele Menschen noch nicht verinnerlicht, dass der Rausch am Steuer unter keinen Umständen akzeptabel ist - und werden von ihren Mitmenschen auch nicht daran gehindert, in diesem Zustand zu fahren. Das gilt für Urlauber, die es nicht bei einem Glas Wein belassen, ebenso wie für Einwanderer aus Ländern, in denen der Vollrausch noch nicht tabuisiert ist. Und für viele Einheimische.

Es bleibt die Trauer um einen Familienvater - und die Hoffnung, dass sein Tod zumindest einige auf Mallorca endlich wachgerüttelt hat.