Je tiefer man in das Thema der Hausbesetzungen einsteigt, desto vielschichtiger erscheint es, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse. „Es herrscht eine kollektive Hysterie gegen Hausbesetzer" - an diesem Satz ist viel Wahres dran. Schuld daran sind Banden, die sich an fremdem Eigentum vergehen. Schuld sind aber auch private Firmen, die versprechen, die okupas zu vertreiben und dabei die Ängste weiter schüren. Und schuld sind die Medien, die das Thema mit offenen Armen immer wieder aufgreifen und mit gruseligen Horrorgeschichten auf Klickfang gehen. Andere, harmlosere Fälle fallen da gern unter den Tisch. Ja, auch als Journalist muss man sich an die eigene Nase fassen!

Keine Frage: Natürlich ist es schwer, ein gutes Haar an Menschen zu lassen, die in Privathäuser einsteigen, die persönliche Sachen verkaufen, in der Nachbarschaft auf Raubzug gehen und die Immobilie dann in desolatem Zustand verlassen. Ihr Vorgehen ist nicht zu rechtfertigen, ihre moralischen Vorstellungen - wenn denn überhaupt vorhanden - kaum ­nachvollziehbar. Doch erstens ist Hausbesetzer nicht gleich Hausbesetzer - die Motive und Strategien unterscheiden sich enorm - und zweitens stecken auch hinter wahren Horrorgeschichten letztendlich Menschen mit oft schlimmen Lebensgeschichten. Sie sehen sich am Rande der Gesellschaft, perspektivlos. Ist das eine Rechtfertigung für ihr Vorgehen? Nein! Aber es ist der Ansatz einer Erklärung. Und es zeigt, dass in der Gesellschaft, in der Politik und auch in der Rechtsprechung einiges im Argen liegt.

Dass in vielen Fällen Armut hinter den Besetzungen steckt, darf nicht außer Acht gelassen werden - gäbe es auf Mallorca genug erschwinglichen Wohnraum und würden nicht etliche Gebäude ungenutzt vor sich hin verfallen, dann wären die Besetzungen Einzelfälle statt an der Tagesordnung. Die Politik sollte das Problem an der Wurzel angehen und sich auf den Bau von mehr Sozialwohnungen konzentrieren, wie es auf den Balearen bereits geschieht. Schnelle Räumungsmethoden gegen jegliche Art von okupas anzuleiern, reicht nicht.

Hintergrund: Hinter den Hausbesetzungen auf Mallorca steckt eine soziale Krise