Muss man ein schlechtes Gewissen haben, wenn man dieser Tage nach Mallorca reist? Wer sich mit den ersten Urlaubern unterhält, die nach der Aufhebung der Reisewarnung auf die Insel kommen, spürt Unsicherheit. Da gibt es die selbstsichere Fraktion derjenigen, die mit reinem Gewissen erklären, welche Vorsichtsmaßnahmen sie getroffen haben, um weder sich selbst noch andere Menschen zu gefährden. Die für Strandspaziergänge, zum Wandern oder Radfahren auf der Ferieninsel sind. Die sich mitunter auch nach der Reise noch ein paar Puffer-Urlaubstage freigenommen haben, um soziale Kontakte zu vermeiden. Oder Menschen, die ohnehin konsequent im Home-Office arbeiten und sich ein paar Mallorca-Tage mit den Kindern gönnen.

Das Ansteckungsrisiko auf der leeren Insel, so argumentieren sie völlig zurecht, sei viel geringer als in der deutschen Öffentlichkeit. Und selbst im voll besetzten Flugzeug sitzen ausschließlich Personen mit negativem PCR-Testergebnis. Wo ist da das Problem? Es gibt keines.

Und doch wollen viele der ersten Urlauber nicht unbedingt mit Journalisten sprechen. Man habe zwar kein schlechtes Gewissen, aber mit Namen und Foto wolle man lieber doch nicht in der Zeitung erscheinen. "Ich weiß nicht genau, was mein Arbeitgeber da denkt", sagt eine Interviewpartnerin. "Es gibt immer Leute, die einem was krumm nehmen oder neidisch sind", sagt ein anderer.

Und auch die mitunter schlechte Erfahrung mit Medienberichten vom Corona-Sommer spielen eine Rolle. Eine Interviewpartnerin stand im Sommer mit einer Zigarette in der Hand an der Schinkenstraße. Wenig später entdeckte sie sich auf Titelseiten deutscher Zeitungen, mit Schlagzeilen, die den vermeintlichen Sauftourismus anprangerten. Dass unter dem Bericht massenweise alte Archivbilder von überfüllten Stränden zu sehen waren, hätten einen völlig falschen Eindruck erweckt. Ein Urlauber erzählt der MZ, dass er deswegen sogar eine Beschwerde an den Deutschen Presserat geschickt hätte. "Die haben mir recht gegeben." Eine Rüge oder wenigstens eine öffentliche Missbilligung durch den Presserat habe es aber nicht gegeben. Nur einen schlichten Hinweis an die Redaktion.

Muss man also nun ein schlechtes Gewissen haben, wenn man diese Tage nach Mallorca kommt? Nein. Aber man darf eben auch im Urlaub nicht das Gehirn ausschalten. Mitdenken, vorsichtig sein. Die frühe Sperrstunde wird dabei helfen. Und das gilt für den Urlaub in Deutschland ebenso wie für den Rest der Welt und insbesondere auch für Mallorca. Es gilt für Urlauber und Unternehmer. Und es gilt selbstverständlich auch für uns Journalisten. /tg

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