Der Autor, Peter Löwe, ist Unternehmensjurist in der Luftverkehrsbranche in München. Dieser Beitrag ist seine persönliche Meinung. Die Mallorca Zeitung veröffentlicht den Text als Gastbeitrag.

Heute läuft die aktuelle Fassung der Coronavirus-Einreiseverordnung ab, mit der die Bundesregierung Ende März eine neue Testpflicht für sämtliche Einreisen per Flugzeug nach Deutschland eingeführt hatte, vor allem um Deutsche von vermeintlich unnötigen Flugreisen ins Ausland abzuhalten.

Hoffnungen, die Testpflicht wäre damit erledigt, erweisen sich jedoch als illusorisch. Die Bundesregierung macht heute eine Neufassung der Coronavirus-Einreiseverordnung bekannt, welche am 13. Mai in Kraft treten soll (CoronavirusEinreiseV, mit Begründung vorab veröffentlicht auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit).

Die neue Verordnung enthält neben nunmehr bundesweit einheitlichen Vorschriften über Einreiseanmeldung und Quarantäne für Einreisende aus Risikogebieten auch wieder die Vorschriften über die Testpflicht vor Antritt eines Flugs nach Deutschland.

Allerdings nimmt die neue CoronavirusEinreiseV nunmehr geimpfte und genesene Reisende zum einen von der Einreise-Quarantänepflicht aus, zum anderen aber auch von der Testpflicht vor Abflug. Statt eines Testnachweises genügt hier ein Impf- bzw. Genesungsnachweis.

Nach wie vor müssen aber noch nicht geimpfte oder genesene Reisende - einschließlich Kinder ab 6 Jahren - einen Corona-Test absolvieren und dem Beförderer den Testnachweis vor Abflug vorlegen (§ 5 Abs. 1, § 7 Abs. 1) und muss der Beförderer die Beförderung verweigern, wenn der Testnachweis fehlt oder positiv ist (§ 9 Abs. 2).

Die neue Verordnung zitiert nach wie vor § 36 Abs. 8, 10 Infektionsschutzgesetz (IfSG) als Rechtsgrundlage. § 36 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 b IfSG ermächtigt jedoch nur dazu, durch Verordnung Beförderungen aus einem Risikogebiet bei fehlenden Nachweisen zu verbieten. Für Flüge aus anderen Gebieten - wie derzeit etwa den Balearen - ist das Beförderungsverbot bei fehlenden Nachweisen durch das Gesetz nicht gedeckt.

Die Gesetzeslücke wurde bereits erkannt. Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD legten am 4. Mai einen Gesetzentwurf vor, der u. a. diese Lücke schließen soll (Bundestagsdrucksache 19/29287) und über den der Bundestag am 20. Mai beraten will. Einstweilen ist die Verordnung in diesem wesentlichen Punkt jedoch nichtig und könnten Betroffene dies rechtlich geltend machen. Das OVG Berlin-Brandenburg wies zwar einen Eilantrag eines Mallorca-Reisenden gegen die Testpflicht am 22.04. zurück, jedoch ohne auf die lückenhafte Ermächtigungsgrundlage einzugehen (Beschluss vom 22.04.2021, Az. OVG 9 S 11/21).

Die neuen Einreisevorschriften begründen gravierende Ungleichbehandlungen.

Geimpfte oder Genesene haben mit den entsprechenden Nachweis ab sofort einen Freibrief für wieder unbeschwerte Flugreisen.

Für alle anderen Reisenden bleibt es dagegen bei der Testpflicht nebst Beförderungsverbot bei fehlendem Testnachweis, insbesondere für reisende Familien mit Kindern, weil die Verordnung Tests schon ab 6 Jahren vorschreibt (obwohl gerade Antigentests bei kleineren Kindern unzuverlässig sind), Impfungen für Kinder unter 16 Jahren aber bisher noch nicht einmal zugelassen sind und auch bis auf weiteres nicht erhältlich sein werden. Zudem verzögert sich die Impfkampagne derzeit weiter, weil die Ständige Impfkommission die zugelassenen Vektorimpfstoffe nur mehr für Personen über 60 Jahren empfiehlt, aber auch in dieser noch vorrangigen Altersgruppe mehr die mRNA-Impfstoffe gefragt sind.

Für viele Reisende wird die Verordnung daher nach wie vor einem Flugreiseverbot über Monate hinweg gleichkommen. Insbesondere Familien mit Berufstätigen und schulpflichtigen Kindern werden den Stress und das Risiko nicht eingehen wollen, gegen Ende einer Urlaubsreise von solchen Unwägbarkeiten abzuhängen und, wenn es auch nur an einem Testergebnis fehlt, für unbestimmte Zeit im Ausland zu „stranden". Tests und Bescheinigungen, die den Anforderungen genügen, werden im Ausland mitunter nur direkt an den Flughäfen erhältlich sein und auch dies oft zeitlich nicht passend vor der Abflugzeit. Die Kosten liegen schon für Antigentests meist hoch und vervielfältigen sich bei mehreren Reisenden wie einer Familie.

„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung", (Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz). Dieses Gebot erscheint mit der Coronavirus-Einreiseverordnung verkannt.

Die Bundesregierung könnte die Einreiserestriktionen gegenüber noch nicht Geimpften durchaus abmildern und so eine insgesamt verhältnismäßige Regelung auch im Vergleich mit Geimpften schaffen.

Insbesondere wäre es sinnvoll, wieder einen Test bei Ankunft genügen zu lassen, wie etwa der Freistaat Bayern dies seit August 2020 vollzogen hatte. Nur über PCR-Tests bei Ankunft im Inland könnten die deutschen Gesundheitsbehörden systematisch Daten und Erkenntnisse wie zur Positivenrate bei Einreisenden oder zu den Anteilen verschiedener Virusmutationen gewinnen.

Weiter wäre daran zu denken, die Testpflicht nach dem Ausgangsland einzuschränken (etwa Ausnahme von Schengen-Staaten mit ähnlicher Entwicklung der Inzidenz- und Impfraten) und/oder auch nach der Altersgrenze (etwa Testpflicht erst ab 12 Jahren).

Verpflichtende Tests sollten zudem für die Betroffenen kostenlos bleiben und weiterhin vom Staat finanziert werden. Die Impfungen werden ja ebenfalls staatlich finanziert.

Eine Testpflicht für Einreisen per Flug ähnlich der deutschen hat die Schweiz schon im Februar eingeführt, wobei jedoch Schweizern ohne Testnachweis der Rückflug nicht verweigert wird, wenn sie erklären, sich nach Einreise testen zu lassen; zudem sind Kinder erst ab 12 Jahren testpflichtig. In Österreich können Tests ebenfalls nach Einreise nachgeholt werden und sind Kinder erst ab 10 Jahren testpflichtig. In Tschechien wurde eine Einreiseregelung entsprechend der deutschen gerichtlich beanstandet, soweit sie Tschechen die Rückkehr erschwert (Urteil Stadtgericht Prag vom 31.03.2021, Az. 18 A 16/2021).

Die Lufthansa bietet schon länger an, gebuchte Flüge bis kurz vor Abflug auf ein anderes Datum und/oder Ziel ohne Umbuchungsgebühr umzubuchen. Daher dürften sich viele Reisende umso leichter entschlossen haben, einen Flug mit Lufthansa zu buchen. Für die Lufthansa ist dieses Modell ebenfalls vorteilhaft, da die Kunden jeden gebuchten Flug im voraus bezahlen und auch bei Umbuchungen an die Lufthansa gebunden bleiben und somit dem Wettbewerb entzogen sind.

Die Lufthansa verweigert Kunden, die gebuchte Flüge nach Einführung der abschreckenden Testpflicht nicht mehr antreten wollen, von Buchungen gegen Flugpreiserstattung zurückzutreten, und verweist weiterhin auf die Umbuchungsmöglichkeiten. Hiermit wird vielen Kunden jedoch nicht gedient sein, zumal da auch weiterhin ungewiss bleibt, wann und wohin Reisen wieder unbeschränkt möglich sein werden.

Verbraucherrechtlich sollten Reisende wegen der Testpflicht zum Rücktritt gegen volle Erstattung des vorausbezahlten Preises berechtigt sein. Die Bundesregierung sollte insbesondere gegenüber den von ihr gestützten Veranstaltern und Airlines (wie TUI oder Lufthansa) darauf hinwirken, dass den betroffenen Kunden entsprechende Erstattungen angeboten werden. Die Verbraucherzentrale Bundesverband forderte dies schon Ende März zu Recht. Unternommen wurde bisher aber nichts.