Auf Mallorca gibt es seit heute um Mitternacht keine Ausgangssperre mehr. Das ist gut. Besonders für unser Freiheitsgefühl. Wir müssen jetzt nicht mehr pünktlich um 22, 23, 24 Uhr zu Hause sein. Und wir brauchen keine Angst mehr haben, nach Mitternacht von der Polizei wegen Verstoßes gegen die Regeln kontrolliert zu werden. Ja, man kann dieses neue Leben auch feiern.

Die Frage stellt sich dennoch, ob man sich deshalb sofort zu Hunderten zusammenrotten muss, auf die nach wie vor bestehenden Abstands- und Maskenregeln pfeift, sich besäuft, dabei den Strand vermüllt und damit die komplette Insel gegen sich aufbringt. Wer Bilder des mitternächtlichen Polizeieinsatzes gesehen hat, fühlt sich unweigerlich erinnert an Razzien in den Brennpunktvierteln Son Gotleu oder Son Banya. Doch diesmal waren nicht Drogenhändler das Ziel, sondern Touristen.

Besonders klug war das, was da am Strand passiert ist, nicht. Und die Beteiligten sollten sich dringend fragen, was für einen Bärendienst sie damit den Gastronomen und nachfolgenden Urlaubern erwiesen haben. Bereits jetzt ist die Playa de Palma (und andere Party-Zonen) von einem Teil der neuen Freiheit ausgenommen. So dürfen hier weiterhin nur vier Menschen an einem Außentisch Platz nehmen. Im Rest der Insel sind es zehn.

Die Konsequenzen des ausufernden Treibens am Ballermann sind - spätestens nach dem Bierstraßen-Eklat vom vergangenen Jahr - doch hinlänglich bekannt. Bis heute Nachmittag wird jedes deutsche Medium die Bilder der Nacht zeigen. Es folgen Kopfschütteln, Empörung. Und dann werden Konsequenzen gefordert. Anschließend werden sich die Party-Urlauber in Stellung bringen, die die Medien beschimpfen, weil die mal wieder hemmungslos übertreiben, schließlich habe man lediglich sein Grundrecht auf Freiheit wahrgenommen.

Schlussendlich wird die Regierung sich daran erinnern, dass die Playa de Palma eine Sonderinterventionszone ist und mit neuen Verboten oder anderen Dekreten die Ruhe im öffentlichen Raum durchsetzen. Schon jetzt herrscht eigentlich ein Alkoholverbot auf den Straßen der Playa. Geschert hat es in der Nacht keinen.

Es ist schon traurig, dass die Grenzen der neuen Normalität bereits in der ersten Nacht so ausgedehnt werden, dass man das Rathaus in Palma förmlich zum Handeln zwingt. Aber spätestens jetzt dürfte auch klar sein, dass diejenigen, die das Ende des Ballermanns haben kommen sehen, sich definitiv getäuscht haben. Das gestern war eine Machtdemonstration des Partyvolks. Und egal, wie sich die Playa de Palma in den vergangenen Jahren zum Positiven gewandelt hat. Die Besucher haben sich nicht verändert. Die Bilder aus der Nacht haben das zementiert.

Vor 15 Tagen schrieb ich in einem Kommentar nach der Eröffnung des Bierkönigs: „In zwei Wochen wird, wenn der Besucherandrang so weiter geht, die Playa kaum noch von dem zu unterscheiden sein, was sie einst mal war: die beliebteste Partymeile der Deutschen."

Ich hatte recht. Und jetzt fürchte ich mich vor den Konsequenzen.