Viele mögen es kennen, dieses kleine, aber beständige Schuldgefühl, das einen beschleicht, wenn man sich selbst eingesteht, dass einen die Bilder von Leid und Krieg in der Ukraine mehr mitnehmen, als die im Jemen oder in Syrien. Europa zeigt sich derzeit so solidarisch mit Geflüchteten wie nie zuvor – aber eben nur mit jenen, die vor Putins Invasion flüchten.

Renommierte Menschenrechtlerinnen wie Helena Maleno kritisieren zu Recht die Zwei-Klassen- Gesellschaft der Geflüchteten. Auch Mallorca kann sich davon nicht freisprechen. Während sich Anwohner von Palmas Vorort s’Aranjassa darüber aufregen, dass ein Auffanglager für Bootsimigranten aus Algerien in ihrer Nachbarschaft entstehen sollte, sind für Hunderte Ukrainer innerhalb kürzester Zeit dauerhafte Unterkünfte gefunden worden, und alle klatschen Beifall.

Doch man darf diese Kritik auch nicht missverstehen: Es geht nicht darum, die Welle der Solidarität, die die westlichen Länder gegenüber der Ukraine erfasst hat, schlechtzureden. Im Gegenteil: Sie sollte uns als Mutmacher dienen, als Zeichen dafür, dass noch Raum ist für Menschlichkeit. Aber eben auch als Anregung, darüber nachzudenken, wie wir alle – jeder im Kleinen und die Politik im Großen – Anteil an einem verqueren Weltbild haben, in dem oft mit zweierlei Maß gemessen wird. Gerade hier auf Mallorca, wo regelmäßig Menschen quasi vor unserer Haustür im Mittelmeer sterben bei dem Versuch, ein würdevolles Leben zu erreichen. Wenn nicht der Schrecken des Todes unabhängig von Nationalität und Herkunft ist – was dann?