Ein Mann steigt in die U-Bahn, der beängstigender wirkt als ein tätowiertes Baby. Zufälligerweise träumte ich heute Nacht von einem Baby mit einer tätowierten Schlange auf dem Rücken, die bis zum Hals kroch, ihn umkreiste und am Mund des Babys landete, den sie mit den Bewegungen ihrer gegabelten Zunge zu stimulieren schien. Das Baby hatte zudem ein Piercing in der Nase und ein weiteres im rechten Ohr. Das Seltsame daran ist, dass es so auf die Welt gekommen war.

Der Mann ähnelt dem Baby, wobei er keine Piercings hat. Er muss in den Fünfzigern sein, aber sein Gesicht ist das eines Babys. Er sieht zugleich hilflos und brutal aus. Als er bemerkt, dass ich ihn schon eine Weile beobachte, starrt er mich an. Sein leerer Blick ist die Art von Blick, der einem die Identität raubt. Er saugt sie aus. Ich spüre, wie ein Teil von mir meinem Körper entweicht, durch die schlechte Luft des Wagens strömt und in seinen eindringt. Jetzt ist ein Teil meines Ichs in ihm, es bewegt sich in seinem Kopf wie ein Bonbon im Mund. Der Typ fragt sich, was ich beruflich mache und wohin ich unterwegs bin.

An der nächsten Haltestelle

Ich habe meinen Blick abgewendet, spüre aber seine Augen auf mir. Ich bin zu einer Halluzination in seinem Gehirn geworden. Die übrigen Fahrgäste bemerken das Drama zwischen mir und der Person mit dem Babygesicht nicht. Ich steige an der nächsten Haltestelle aus und warte, bis sich die Türen schließen, um sicherzugehen, dass das Baby nicht mit mir ausgestiegen ist. Dann verlasse ich die U-Bahn-Station, wobei ein großer Teil von mir fehlt.

Dieser Teil reist weiter durch die Eingeweide der Stadt, in einem Körper, der nicht meiner ist, mit dem ich aber auf geheimnisvolle Weise von diesem Moment an verbunden bin. Ich frage mich, wie viele solcher Austauschvorgänge täglich in Großstädten stattfinden, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.