Meinung

Das Ego im 18. Jahrhundert

Jan Lammers präsentiert in dieser Woche Sprichwörter zur Figur der Wäscherin

Eugène Boudins Gemälde "Washerwomen by the River"

Eugène Boudins Gemälde "Washerwomen by the River" / Wiki Commons

Wäscherin, weibliche Person, die Wäsche reinigt

Der ostpreußische Stadtpräsident von Königsberg Theodor Gottlieb von Hippel der Ältere hinterließ in seiner posthum veröffentlichten Autobiografie die folgende messerscharfe Beobachtung der menschlichen Eigenliebe: „Jeder Mensch hat einen Hang, seine Meinungen anderen mitzuteilen, und der Gelehrteste ist nicht gleichgültig gegen das Urteil seiner Wäscherin und seines Ofenheizers.“ Die wenig schmeichelhafte Bezugnahme erzählt von dem gesellschaftlichen Stand und dem Ansehen beider Berufsgruppen. Mitunter wegen des immer gleichen Ablaufs als stumpf angesehene Beschäftigungen sind auch in einem hiesigen Sprichwort verewigt: „Sowohl im Winter als auch im Sommer begibt sich die Wäscherin zur Arbeit an den Bach“ (Tant en s’hivern com en s’estiu, sa bugadera va a rentar al riu) – manche Sachen ändern sich eben nie, wie der menschliche Glaube an die romantische Liebe und seine Dummheit.

Ein Haufen Schmutzwäsche

Beim römischen Dichter Ovid liest man auf Lateinisch Gutta cavat lapidem – „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Die hiesige Version jener jahrtausendealten Weisheit lautet, dass „bei jedem Waschen ein Betttuch verloren geht“ (A cada bugada perden un llençol). Ferner hing den Mitgliedern jenes Berufszweigs der zweifelhafte Ruf einer extrem ausgeprägten Geschwätzigkeit nach: „Als Junggesellin unermüdlich und als Verheiratete eine Wäscherin“ (De fradina bullanguera, de casada bugadera). Vom britischen Schriftsteller Aldous Huxley stammt das beschwörende Schlusswort, welches universale Gültigkeit bezüglich der menschlichen Beteuerungen besitzt: „Es sollte ein Verfahren geben zum Chemischreinigen und Desinfizieren von Wörtern, Liebe, Reinheit, Güte, Geist – ein Haufen Schmutzwäsche, der auf die Wäscherin wartet.“

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