Meinung | DER INSELDUDEN

Nüsse für die Zahnlosen

MZ-Kulumnist Jan Lammers setzt sich mit Nüssen auseinander

Obstbauer Kreuter erntet am Stadtrand von Koblenz Walnüsse.

Obstbauer Kreuter erntet am Stadtrand von Koblenz Walnüsse. / Foto: Thomas Frey/dpa

Nuss, rundliche Frucht mit holziger Schale, die einen essbaren Kern umschließt

Ein deutsches Sprichwort legte bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahe, keine allzu hohen Erwartungen zu stellen: „Man kann eine Birke schütteln, wie man will, es fallen keine Nüsse herab.“ Auf Mallorca haben Sprichwörter ähnliche Bezüge: „An Santa Magdalena (22. Juli) ist die Nuss voll“ (Per Santa Magdalena, sa nou ja és plena). Will heißen: Die Erntezeit für Nüsse und vor allem Mandeln steht an. Auf den 22. Januar bezieht sich der Satz: „Wenn an San Vicenç die Sonne scheint, wird der Wein in Sturzbächen fließen; aber wenn es regnet, wird keine Nussschale gefüllt“ (Si fa sol per Sant Vicenç, es vi anirà pels torrents; però si plou, no se n’omplira una nou). Eine auch noch so nichtig erscheinende Arbeit will erledigt sein, wie schon Friedrich Nietzsche formulierte: „Auch die hohlste Nuss will noch geknackt sein.“

Die Nuss zerbrechen

Einen symbolischen Charakter verlieh der holländische Theologe Erasmus von Rotterdam gegen Ende des 15. Jahrhunderts der global geltenden Wahrheit, dass vor dem Genuss die Arbeit steht und man sich nicht nur mit den angenehmen Seiten einer Angelegenheit schmücken kann. Zuvor muss auch die „Drecksarbeit“ verrichtet werden: „Wer den Kern einer Nuss essen will, der soll die Nuss zerbrechen.“ Nicht den richtigen Moment zu verpassen, da die Ernte ansonsten überreif und ungenießbar ist, legt die folgende, sich auf Septemberbeginn bezogene hiesige Empfehlung nahe: „Zu Santa Cruz, egal ob es nun regnet oder nicht, ernte Birnen und Nüsse“ (Per Santa Creu, tant si plou com si no plou, cull ses peres i ses nous). Dass es im Leben bekannterweise nicht immer gerecht zugeht, ist eine altbekannte Weisheit, die auf immer neue Art und Weise umschrieben wird, so wie vom erst kürzlich verstorbenen Deutsch-Kanadier Willy Meurer: „Das Schicksal beschert manchmal denen Nüsse, die keine Zähne haben.“

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