Allerlei Tradition

Wer nach einigen Weingutsbesuchen auf der Insel glaubt, er habe nun genug Herrenhäuser mit Bodegas oder modernen Kellereien gesehen und habe etwas Abwechslung nötig, dem sei ein Besuch bei Pere Calafat in Santa María del Camí geraten. Stünden nicht zwei Barriquefässer als Tische vor dem Schaufenster, könnten wir das Haus für einen Laden halten. Ganz falsch wäre es nicht, denn gleich neben der Tür stehen wir vor einer kleinen Theke mit Regalen dahinter. Rechts ebenso vor Regalen mit Wein, aber auch einem bunten Allerlei vorwiegend mallorquinischer Produkte wie Käse, Salz, Olivenöl, Sobrasada, Schnäpse, Hierbas (8 verschiedene!), in trauter Eintracht neben Milch, Keksen und Limonade. 

Sind wir hier richtig? Ja, denn schon sehen wir Pere Calafat hinter einem Weintank hervorkommen. Er setzt sein freundliches Lächeln auf und hilft gerne beim Aussuchen der passenden Produkte. Die Stahltanks, die im Ladenbereich selbst eher klein ausfallen, nehmen weiter drinnen, hinter den Regalen, aber doch gewisse Dimensionen an. Pere besitzt ja immerhin zehn Hektar ökologisch bewirtschafteter Weinberge - Wein ist sein Hauptgeschäft. Und was für eines! Es gibt nur wenige Arten, Trauben zu alkoholischen Getränken zu verarbeiten, die Pere nicht tatsächlich in seinem kleinen Keller einsetzt - nur Weinbrand stellt er nicht her.

Hier gibt es Wein literweise zum selbst Abfüllen sowie allerlei exklusive Wein-Varianten

Was Pere an Weinprodukten anbietet, ist ein Keller technisches Kompendium. Da sind zum Beispiel die drei kleineren Tanks gleich im Eingangsbereich. Die stehen hier, weil die Kunden sich selbst - so wie es früher auf der ganzen Insel üblich war - für wenig Geld roten, weißen oder rosé Wein literweise in eigene Kanister oder Flaschen füllen können. Auf Flaschen gefüllte Stillweine sind das Hauptgeschäft. Es gibt sie in Weiß, Rosé und Rot, sowohl sortenrein aus mallorquinischen Reben als auch als Cuvée mit internationalen Sorten. 

Aber damit noch lange nicht genug: Pere pflegt auch einen Ausbaustil, der als "Rancio" bekannt ist und in Teilen Frankreichs und Spaniens eine gewisse Tradition hat. Dabei wird Wein in 30 bis 50 Liter fassenden Glasballons für drei Jahre auf die Terrasse gestellt, damit er oxidiert. Das Ergebnis erinnert leicht an trockenen Amontillado. Oder sein "Dolc": Dafür wird Manto-Negro-Most aufgespritzt und gar nicht vergoren. Ein durch Einkochen konzentrierter Süßwein darf nicht fehlen, ebenso wenig wie hervorragender, mit allerlei Inselkräutern mazerierter Wermut, der mit viel Frische, würzigem Aroma und pikantem Geschmack zu den Highlights seiner Experimente zählt. Perlwein gibt es, damit die Liebhaber schäumender Getränke zu ihrem Recht kommen. Wo er sich mit so vielen Techniken schon einmal angefreundet hat, mag sich Pere auch modischem Orange-Wein nicht verschließen. Giró-Ros-Trauben verwendet er dafür.

Selten liegt man mit einer eher banalen Aussage so richtig wie hier: In diesem Keller findet sich fast für jeden Geschmack der passende Wein. 

Jürgen Mathäß, Fachjournalist und Spanien-Experte, ist Autor des Buches „Mallorca & Wein“