Mallorca ist vom Radfieber erfasst. Die Insulaner stürzen sich derzeit auf alles, was zwei Räder und einen Sattel hat. Im Prinzip jeder, der in der Branche auf der Insel tätig ist, bestätigt, dass der Verkauf boomt. „Radfahren liegt im Trend", sagt Marcel Iseli von Huerzeler Bicycle Holidays. „Vom Rennrad bis zum E-Bike - die Nachfrage ist groß."

Es gibt verschiedene Theorien, warum das so ist. Das Gesundheitsministerium hat das Fahrrad nach der Quarantäne als sicheres Verkehrsmittel gepriesen. Radfahrer müssen sich nicht in einen Bus mit anderen Menschen zwängen, und da man beim Fahren einen gewissen Platz braucht, wird der Mindest­abstand automatisch eingehalten. Um diese Art der Mobilität zu fördern, räumen die Gemeinden auf Mallorca den Radfahrern verschiedentlich Sonderrechte ein. So hat die Stadt ­Palma zeitweise zugunsten der Radfahrer Straßen für die Autos geschlossen.

Hinzu kommt, dass nach der Quarantäne Aktivitäten im Freien beliebt sind. Nach der langen Zeit in den eigenen vier Wänden wollen sich die Mallorquiner bewegen. Manch einer hat das Radfahren als Sport für sich entdeckt und bleibt dabei. Denn die Fitnessstudios waren lange geschlossen, und die Sportvereine mussten pausieren.

Mit dem Rad eine Runde über die Insel zu drehen sei für viele Mallorquiner auch eine Alternative zum Sommerurlaub, meint Enrique Riera vom Fachgeschäft Bimont. „Das Geld, das die Leute sonst für Fitnessstudios, Urlaube oder zum Ausgehen ausgeben, hauen sie jetzt für ein Fahrrad auf den Kopf. Manch einer, der sonst ein billiges Rad gesucht hat, zahlt nun 2.000 oder 3.000 Euro."

Teils ist das auch notwendig, um überhaupt ein Rad zu bekommen. In vielen Geschäften sind die Lager leer. Offizielle Zahlen zum Fahrradboom gibt es noch nicht, wenngleich oft von 30 Prozent höheren Verkaufszahlen die Rede ist. Die MZ gibt einen Überblick, was ein Fahrrad im niedrigen, mittleren und hohem Preissegment auf der Insel kostet.

Gebrauchte Räder

Die günstigste Lösung für ein Fahrrad für den Stadtverkehr führt über die Kleinanzeigen. Auf Seiten wie milanuncios.com findet man unter dem Suchbegriff „bicicleta Mallorca" ­einige Inserate. Die Preise variieren je nach ­Zustand und Fahrradtyp. Für ein einfaches Fahrrad sollte man zwischen 50 und 100 Euro einrechnen, so es nicht von einer bekannten Marke ist. Beliebte Plattformen für den Verkauf durch Privatpersonen sind in Spanien auch die App „Wallapop" und der Facebook Marketplace. In den Gruppen von sozialen Netzwerken wie Erasmus oder Connect Lingus bieten oftmals auch Menschen, die die Insel verlassen, ihre Sachen an. Eine Nachfrage dort kann sich lohnen.

Discounter

Bei den gebrauchten Rädern gibt es keine Garantie. Wer unbedingt ein neues Rad haben und dennoch nicht viel ausgeben möchte, sollte das Angebot der Discounter durchstöbern. Günstige Fahrräder gibt es bei Decathlon oder der Supermarktkette Carrefour. Zu lange sollte man nicht überlegen, denn viele Modelle sind im Online-Katalog schon vergriffen. So ist etwa das Fahrrad „Riverside 100", das es neu für 139,99 Euro bei Decathlon gibt, derzeit nicht verfügbar. Die Nachfrage sei seit Mai je nach Modell doppelt oder gar dreifach so groß, so eine Sprecherin gegenüber „El País". Vorrätig ist derzeit (Stand Dienstag, 23.6.) noch das Stadtrad „Elops 120" für 199,99 Euro.

Fachgeschäfte

„Die Deutschen kennen sich mit Fahrrädern aus und wissen, was für eine Qualität sie bei Produkten aus dem Discounter erwartet", sagt Enrique Riera. „Für ein ordentliches Stadtrad muss man 400 Euro aufwärts kalkulieren." Bei Bimont gibt es derzeit nur noch Restbestände. „Markenräder sind alle weg. Ganz schlecht sieht es bei Mountainbikes in der Preisklasse 500 bis 1.000 Euro aus. Von denen gibt es auf Mallorca kein einziges mehr im Angebot. Die Wartezeit beträgt derzeit zwei Monate."

„Die Hersteller kommen nicht mehr hinterher. Viele Fabriken mussten wegen der ­Krise auch schließen", sagt Yolanda Sánchez, Chefin von Ciclos Mallorca. „Der Boom kam plötzlich und ist nicht normal." Im Angebot hat sie derzeit nur noch E-Bikes und ein paar Stadträder. Mountainbikes gibt es keine mehr. „Das kann ich mir nicht erklären. Die Räder sind nicht wirklich gemütlich."Von den Leihanbietern kaufen

Die Corona-Krise hat Mallorca erwischt, als die Radsaison auf der Insel anfangen sollte. Einige Leihanbieter rettete nur das Geschäft mit dem Verkauf vor der Insolvenz. „Anfangs haben wir viele Räder nach Deutschland verkauft. Jetzt steigt die Nachfrage in Spanien", sagt Marcel Iseli. Bei Huerzeler werden in der Regel die Leihräder der vorherigen Saisons verkauft. „Die Räder sind bis zu fünf Jahre alt und von unseren Technikern super in Schuss gebracht." Da die Räder gebraucht sind, gibt es je nach Typ zwischen 20 und 50 Prozent Nachlass auf den Neupreis, der bei den Rennrädern etwa 3.500 Euro beträgt.

Was derzeit immer mehr gefragt ist, sind die E-Bikes. „Der Trend ist in Spanien spät angekommen, aber er ist mittlerweile da, und das Interesse wird weiter steigen." Die Elektroräder kosten neu bis zu 3.000 Euro, gebraucht kann man ein Schnäppchen für unter 1.000 Euro ergattern. Ganz neu sind Rennräder mit Elektroantrieb. „Die stehen aber bei uns nicht zum Verkauf, da wir für die Herbstsaison darauf angewiesen sind", sagt Iseli. Wie bei vielen Dingen im Leben sind nach oben hin im Preis keine Grenzen gesetzt. So können Luxusräder auch schnell bis zu 20.000 Euro kosten. Einzelne Komponenten, wie ein Carbonrahmen oder spezielle Räder, gehen ebenfalls ins Geld.