So wie José stellt man sich den typischen Autoverkäufer auf der grünen Wiese vor. Der 29-Jährige redet in einer Tour von den Vorzügen seines Geschäfts „Coche a lo bestia“ in Palma und warum der Kauf eines Gebrauchtwagens woanders als in seinem Laden geradezu skandalös wäre. So wirklich auf den Punkt kommt der junge Mann mit seiner schicken Jacke, Designersonnenbrille und gegelten Haaren aber nicht. Bei Fragen zu den extrem gestiegenen Preisen weicht er aus und wird nervös. Dabei ist gerade das das Thema. Die durch die Insellage schon vor Corona überteuerten Gebrauchtwagen sind derzeit so gefragt wie nie. Das wirkt sich deutlich auf den Geldbeutel aus.

Knapp 17 Prozent teurer

11.532 Euro kostete im vergangenen März der durchschnittliche Gebrauchtwagen auf den Balearen. Das hat der spanische Verband der Fahrzeughändler Ancove ausgerechnet. Im Vergleich zum Jahr zuvor entspricht das einem Preisanstieg von 16,8 Prozent. Spanienweit sind die Preise auf den Inseln nach Madrid (19,4 Prozent) am höchsten gestiegen. Der durchschnittliche Anstieg in Spanien liegt bei 15,1 Prozent. Die Nachfrage ist dennoch ungebrochen. 2021 wurden auf den Balearen knapp drei Mal so viele Gebrauchtwagen (51.981) wie Neuwagen (17.076) verkauft.

Weltweite Chipkrise

Dabei hat Mallorca das Problem mit den gestiegenen Preisen wahrlich nicht exklusiv. Bereits durch den Corona-Stillstand kam es zu weltweiten Lieferengpässen, auch in der Automobilindustrie. Derzeit mangelt es erheblich an Halbleitern und Mikrochips, die für die Computersysteme in den Fahrzeugen nötig sind. „Die Kunden wollen heutzutage fast alle eine Rückfahrkamera oder einen Bremsassistenten. Dafür werden die Chips gebraucht“, sagt Jaime Alomar vom Autohaus Hyundai Proa. Die Industrie ist zur Herstellung der Chips meist auf das Edelgas Neon angewiesen. Die Pulsader der Neon-Produktion der Welt ist die Ukraine, wo viele Werke nach dem Einmarsch Russlands die Arbeit niedergelegt haben. „Hinzu kommen Logistikprobleme und Zulieferfirmen in der Ukraine, die dichtgemacht haben“, sagt Alomar.

Ein halbes Jahr warten

Wie auch in Deutschland führt das auf Mallorca zu langen Wartezeiten bei der Lieferung von Neuwagen. Laut der Seite dieselogasolina.com hat Mitsubishi in Spanien derzeit die geringste Lieferzeit mit 38,5 Tagen. Auf einen Jaguar kann man schon mal knapp 153 Tage warten. Dabei sind es meist die teuren Marken, wie Porsche (124 Tage) oder Mercedes (135,5 Tage), die lange Lieferzeiten haben. Aber auch Firmen wie Skoda (142,5 Tage), die eher die Mittelschicht ansprechen, kommen mit den Lieferungen nicht hinterher. Der Trend geht dahin, dass gekauft wird, was auf Lager ist. „Dacia ist derzeit sehr beliebt und macht zehn Prozent aller Neuwagen auf Mallorca aus“, sagt Alomar, der Hyundai, Dacia, Renault, BMW und Mini vertreibt. „Von Hyundai sind einige Modelle sofort zu haben, die meisten nach zwei bis drei Wochen. Bei BMW dauert es etwas länger. Wir gehen davon aus, dass es das Jahr so weitergeht und sich erst 2023 die Lager wieder füllen.“

Fast wie neu

„Es ist ein Schmetterlingseffekt“, sagt Alomar. „Da kaum Neuwagen da sind, suchen die Kunden die nächstbeste Lösung.“ Das sind in diesem Fall Gebrauchtwagen. Gebraucht muss nicht immer alt und rostig sein. Sobald ein neues Auto auch nur einen Tag auf einen Händler zugelassen ist, gilt es als Gebrauchtwagen. Dabei kann es sein, dass das Fahrzeug noch nicht mal das Autohaus verlassen hat. „Wir bieten die Jahreswagen mit null Kilometern an. Sie sind meist sechs Monate bis zwei Jahre alt“, sagt Alomar. „Die Nachfrage ist so groß, dass die Preise langsam denen der Neuwagen ähneln.“

Prinzipiell ist der Nachteil, dass die Gebrauchtwagen in Spanien nur mit einem Jahr Garantie verkauft werden müssen. Bei Neuwagen sind es fünf Jahre. „Wir umgehen das, indem wir freiwillig die Garantie bei den Jahreswagen auf fünf Jahre aufstocken.“

Hoher Einkaufspreis

Ältere Autos kaufen Gebrauchtwagenhändler wie Miguel Munar von Autos Munar den Autohäusern ab. „Wegen der Lieferzeiten zögern viele Kunden. Um ihnen den Kauf schmackhaft zu machen, zahlen die Autohäuser ihnen mehr Geld für ihre Gebrauchtwagen.“ Für ein Fahrzeug, das früher 2.000 Euro wert war, bekomme man nun beim Kauf eines Neuwagens 3.000 Euro. Der Aufpreis geht zulasten des späteren Käufers des Gebrauchtwagens. „Meine Provision ist fast immer gleich. Der Preis hängt einzig vom Einkaufswert ab“, sagt Munar.

Wer ein gebrauchtes Auto sucht, will in der Regel einen günstigen fahrbaren Untersatz mit vier Rädern. Ab 3.500 Euro bekomme man ein Auto beim offiziellen Gebrauchtwagenhändler, meint José. „Günstiger geht es auf dem Schwarzmarkt. Aber dort hat man nicht das Jahr Garantie.“ Das bestätigt auch Miguel Munar. „Bei Autos, die 1.000 bis 2.000 Euro kosten, muss ich schauen, ob es rentabel ist, da ich die Garantie anbieten muss. Viele Saisonarbeiter suchen derzeit mit einem Budget von 2.000 bis 3.000 Euro nach einem Auto.“

Warteliste mit Kunden, die täglich anrufen

Alles in diesem Preissegment geht so schnell weg wie aufgeschnittene fuet bei einem mallorquinischen Abendessen. „Manchmal verkaufe ich die Autos schon, ehe ich ein Inserat ins Internet gestellt habe. Das sind dann Leute, die es im Schaufenster sehen und sofort zuschlagen. Ich habe eine Warteliste von drei bis vier Personen, die mich täglich anrufen und fragen, ob ich ein günstiges Auto reinbekommen habe“, sagt Munar.

Da ist Hartnäckigkeit und Geduld gefragt. Oder man erhöht das Budget. Ab etwa 7.000 Euro beginnt die Auswahl. „Das günstigste Auto, das ich derzeit habe, ist ein Ford Ka für 4.500 Euro. Der hat aber schon einige Kilometer weg und entwickelt sich langsam zum Ladenhüter“, sagt Munar.

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Acht bis zehn Autos verkauft der Händler im Monat. „Die Hälfte der Kunden sind Spanier, die den Kauf finanzieren. Die andere Hälfte Ausländer, die die Visa-Karte zücken“, sagt Munar. Man kann zwar versuchen, den Preis herunterzuhandeln, die Aussichten auf Erfolg sind aber eher gering. Zumal Autohändler wie José sowieso den längeren Atem haben.