Es gibt Themen, die werden auf Mallorca seit Jahrzehnten immer wieder diskutiert, politisch abgewägt, wieder fallen gelassen – um wenig später wieder auf den Tisch zu kommen. Der Tren de Llevant ist ein Musterbeispiel dafür. Mehr als 24 Jahre lang kämpft eine Bürgerinitiative mittlerweile dafür, dass die alte Zugstrecke im Inselosten wiederbelebt wird. Bisher erfolglos. Ein halbes Jahr vor den Regionalwahlen hat Balearen-Präsidentin Francina Armengol jetzt eine Zusage gemacht: Ihre Regierung werde die Pläne für das Projekt technisch ausarbeiten, sogar Fristen und eingeplante finanzielle Mittel hat sie schon in Aussicht gestellt. Das ist konkreter als alles, was die Politik in den vergangenen zwölf Jahren zum Thema beigetragen hat. Konkret genug?

Langer Atem

Tomàs Martínez Miró strahlt die Ruhe und Gelassenheit vieler Ruheständler aus. Gleichzeitig sprüht er vor Tatendrang, vor allem, wenn das Gespräch auf den Zug fällt. Seit mehr als 20 Jahren ist der mittlerweile 68-Jährige in der Bürgerplattform „Plataforma Tren de Llevant“ aktiv, seit zwei Jahren vertritt er die Gruppe als Sprecher in der Öffentlichkeit. „Ja, man muss Geduld haben, sonst hätten wir schon lange aufgegeben“, sagt er und lässt noch einmal die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren. Sie sind von Aufs und Abs, von Hoffnung und Enttäuschung geprägt.

„Ein Erfolgserlebnis war in jedem Fall, als 2002 die Bahnstrecke Inca–Manacor eröffnet wurde. Endlich war der Inselosten wieder mit anderen Teilen verbunden“, so Martínez. 2010 schien es dann, als werde auch die Ausweitung der Zugstrecke bis Artà Realität. „Die ersten Arbeiten in Manacor hatten praktisch schon begonnen, aber dann bestand der damalige konservative Bürgermeister darauf, dass Teile unterirdisch geführt werden sollten. Das war viel zu teuer und aufwendig, sodass alles eingestellt wurde“, erinnert sich Tomàs Martínez.

Das Thema war nicht totzukriegen

Die Auswirkungen der damaligen Wirtschaftskrise machten die Hoffnungen der Zugbefürworter fast zunichte. „Da hätten wir beinahe aufgegeben“, sagt Tomàs Martínez. Aber eben nur fast. Das Thema war nicht totzukriegen. 2013 versprachen Sozialisten und Linksparteien, für die Zugverbindung in den Inselosten einstehen zu wollen.

Als sie 2015 an die Regierung kamen, schöpfte die Bürgerplattform wieder Hoffnung. „Mittlerweile aber sind fast zwei Legislaturperioden verstrichen, und wir haben noch immer keinen Zug“, sagt Martínez, „aber vielleicht wird es ja dieses Mal etwas.“ Man merkt ihm die Zerrissenheit an: Einerseits freut er sich über die guten Nachrichten, die die sozialistische Ministerpräsidentin im Oktober verbreitete, andererseits fürchtet er sich vor neuen Enttäuschungen. „Es gibt immer noch Zweifel“, sagt er.

Via Verde soll bleiben

Dabei ist das Vorhaben der Landesregierung dieses Mal schon recht detailliert. In den kommenden Monaten sollen Experten ausarbeiten, wie genau die neue Zugstrecke verlaufen kann und welche Investitionen und Baumaßnahmen dafür nötig sind. 1:1 die alte Trasse zu nutzen, deren Betrieb im Jahr 1977 nach mehreren Unfällen und Mängeln am Schienennetz eingestellt worden war , ist nicht möglich. Denn seit 2014 verläuft hier die von der konservativen PP – traditionell eine Gegnerin der Zugverbindung – geschaffene Rad- und Joggingstrecke Via Verde. „Wir stimmen mit der Landesregierung darüber ein, dass der Zug parallel zur Via Verde verlaufen muss, ohne diese zu beeinträchtigen“, sagt Tomàs Martínez.

Schon im kommenden Jahr sollen dann die ersten Arbeiten starten, und zwar für eine innerstädtische Trasse ab Manacor. 30 Millionen Euro hat die Landesregierung dafür veranschlagt. Weitere 24 Millionen Euro sollen dann im Jahr 2024 zur Verfügung stehen, um die Strecke Manacor–Son Carrió zu bauen. 2025 soll es mit 30 Millionen Euro weitergehen bis Son Servera, 2026 mit 15 Millionen bis Artà.

Die Option, auch die Küstenorte Cala Millor und Cala Ratjada einzubinden, steht ebenfalls im Raum. „Wir sind absolut dafür, das sollten die Verantwortlichen allerdings so früh wie möglich einplanen. Auf diesen Strecken stünden dann langwierige und kostspielige Enteignungen bevor, da hier nie ein Zug verlief“, sagt Tomàs Martínez. Lohnen würde sich die Anbindung an die beiden Urlauberorte aber allemal. „Die Landesregierung geht davon aus, dass jährlich eine halbe Million Menschen den Zug nutzen würden. Ginge die Anbindung bis Cala Millor und Cala Ratjada, wären es rund eine Million.“

Bedacht statt überstürzt

Überhaupt pochen Martínez und seine rund 30 aktiven Mitstreiter, die aus allen Orten des Inselostens stammen und die Meinung zahlreicher Bewohner des Inselostens vertreten, auf ein bedachtes Vorgehen. „Wir haben jetzt so lange gewartet, da kommt es auf ein paar Monate nicht an. Hauptsache, was sie tun, hat Hand und Fuß.“

Wichtig sei vor allem, dass die Bahn mit modernen Zügen und breit gefächertem Fahrplan eines Tages eine echte Alternative zum Auto darstellt. „Nur wenn die Verbindung wirklich effizient ist, wird sie auch so genutzt, dass sie sich rentiert“, sagt Tomàs Martínez. Den Menschen im Inselosten würde die Zugverbindung auf jeden Fall viel bedeuten, meint der Aktivist. Die Plattform hat die Unterstützung der Bürgermeister im Inselosten – sie alle sind dem linken politischen Spektrum zuzuordnen und befürworten den Tren de Llevant. „Dagegen sind eigentlich nur Menschen, denen er aus privaten Interessen nicht gelegen kommt“, sagt Tomàs Martínez. Grundeigentümer oder Unternehmer der Automobilbranche. Bisher hatten diese die konservative PP auf ihrer Seite. Dass die Volkspartei auf regionaler Ebene kürzlich eingelenkt und sich erstmals für den Zug ausgesprochen hat, bewerten die Zugaktivisten als Erfolg. In Zeiten von Klimawandel und Energiekrise könne sich eben niemand mehr öffentlich gegen den Zugverkehr aussprechen. „Das minimiert das Risiko, dass nach der Wahl alles wieder auf Eis gelegt wird“, sagt Tomàs Martínez.

Vom Auto überholt und im Juni 1977 eingestellt

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Schienennetz auf Mallorca gut ausgebaut. Manacor war seit 1897 per Zug zu erreichen, später folgte auch Artà. Weitere Verbindungen führten bis Felanitx und Campos. Der Niedergang verlief parallel zum zunehmenden Autoverkehr. Auf dem vernachlässigten Streckennetz kam es zu mehreren Unfällen, teilweise mit Personenschäden. Hinzu kamen Verspätungen und Zugausfälle. Im Juni 1977 wurde die Strecke in den Inselosten schließlich ganz eingestellt.