Fast ein Jahrhundert alt und vier Millionen Euro wert: Der Rolls Royce Silver Ghost von Jean Pierre Beyeler zählt zu den imposantesten Automobilen, die auf Mallorca unterwegs sind.

Wenn Jean ­Pierre Beyeler vorfährt, ist ihm ein Blitzlichtgewitter gewiss. Das war bei der Luxusmesse in Palma im vergangenen September so, und das ist vor dem Hotel Lindner in Portals Nous, in dem er gerne nächtigt, nicht anders. Dabei ist der Schweizer überhaupt nicht berühmt. Der Star ist vielmehr sein Auto, ein Rolls Royce Silver Ghost aus dem Jahre 1914.

Als „bestes Auto der Welt“ bezeichnete die britische Luxuswagenschmiede damals das seltene Cabriolet, das zwischen 1906 und 1926 unter der Typenbezeichnung 40/50 HP hergestellt wurde. Diesen Superlativ heimste der Wagen nach einer für damalige Verhältnisse außergewöhnlichen Testfahrt von mehr als 20.000 Kilometern ein, die er ohne die kleinste Panne überstand. Ob der schicke Rolls immer noch das beste Auto der Welt ist, ist heute wohl mehr eine Liebhaberfrage. Mit Sicherheit aber ist es das teuerste und außergewöhnlichste Automobil auf Mallorca.

In der aktuellen Schwacke-Liste für Gebrauchtwagenpreise sucht man das Modell vergebens. Bei Sammlern wird sein Wert auf rund vier Millionen Euro geschätzt. Dabei ist der edle Brite gar kein Original mehr. Denn unter der Motorhaube ist die einstige nur 50 PS starke Werksmaschine verschwunden. „Ich habe den Silver Ghost vor 19 Jahren in Beverly Hills gekauft und vollkommen renovieren lassen. Bei der Generalüberholung habe ich ihm dann einen Achtzylinder- Motor mit 350 PS spendiert und die Mechanik der stärkeren Leistung angepasst“, erinnert sich Beyeler so, als wenn es gestern gewesen wäre. „Alles andere ist originalgetreu geblieben.“

Vor dem Lindner-Hotel drücken sich die Gäste die Nase an dem ungewöhnlichen Cabriolet platt. Selbst aus dem Spa-Bereich kommen in Handtücher und Bademäntel gehüllte Menschen nach draußen und trauen ihren Augen nicht. Jeder will mit dem blitzblank gewienerten Silver Ghost abgelichtet werden, bevor Beyeler das Lenkrad hochklappt, sich auf die nicht verstellbare Lederbank des Chauffeurs setzt, den Lenker wieder in die Ausgangsposition bringt und den Starter betätigt. Beim dritten Versuch springt die Maschine an. „Bin ich froh, dass ich den nicht ankurbeln muss.“

Papa spielte Chauffeur

Die ebenfalls wegklappbare Windschutzscheibe klappert im Takt des Motors, Außenspiegel und die getönten Glassonnenblenden sorgen für zusätzlichen Rhythmus.

„Da hinten habe ich vor vielen Jahren mit meiner Frau gesessen, und mein Vater hat uns nach der Trauung chauffiert“, sagt Beyeler schmunzelnd und zeigt auf den großzügigen Fahrgastbereich, der in den 20er und 30er Jahren den besseren Herrschaften vorbehalten war.

Mit einem satten Sound setzt sich das Sechs- Meter-Gefährt in Richtung Puerto Portals in Bewegung. Sicherheitsgurte sucht man vergebens. Die mächtigen Reifen kleben quietschend auf dem Asphalt, und Beyeler hat gut zu tun, denn die Servolenkung war 1914 noch nicht erfunden. Auch die Bremse muss kraftvoll gedrückt werden, um den 2,3-Tonner zum Stehen zu bringen. „Den muss man noch wirklich fahren.“ Dafür braucht nicht geschaltet zu werden. Die Drei-Gang-Automatik funktioniert einwandfrei.

Mit einem mopedscheinwerfergroßen Blinker kündigt Beyeler die Richtungsänderung hinab zum Hafen an. Aber auf das weiße Blinklicht der imposanten Erscheinung achten wohl nur die wenigsten. In den schicken Hafenrestaurants hört schlagartig das Besteckgeklirre auf. Selbst Langusten können mit einem Silver Ghost nicht konkurrieren. Es riecht leicht nach Benzin. Der Sieben-Liter-Motor hat Durst. Wie viel, weiß Beyeler nicht. „Ich habe den Wagen, seit ich ihn habe, vielleicht 1.000 Kilometer weit gefahren.“

Beyeler ist ein Sammler aus Leidenschaft. Um die 50 Oldtimer hat er schon gehabt. Viele hat er immer noch. Darunter sein erstes Auto, einen 72er Pontiac. „Den habe ich zum 18. Geburtstag bekommen“, sagt er. Und wenn sein Sohn die Volljährigkeit erreiche, dann bekomme er ihn.

Doch wie kam der Rolls auf die Insel? „Bei der Luxusmesse in Palma vor ein paar Wochen wollten die Veranstalter etwas Verrücktes haben und fragten mich, ob ich nicht mit dem Wagen und einigen Wurlitzer-Musikboxen, die ich auch auf Mallorca vertreibe, dabei sein wolle“, erklärt Beyeler. Da habe er schließlich zugesagt und seine vierrädrige Kostbarkeit mit einem Spezialtransporter auf die Insel gebracht. Hier soll sie auch erst einmal bleiben. „Mallorca gefällt mir gut. Vielleicht ziehen wir irgendwann ganz hierher.“

Ob er sich denn von seinem Gefährt trennen könne? „Ich weiß nicht. Vielleicht ja. Wobei ich ihn dann eher nicht verkaufen, sondern gegen etwas anderes eintauschen würde. Ich fahre ihn so gut wie nie. Und in Palma“, scherzt er, „bekomme ich mit ihm ohnehin keinen Parkplatz.“