Deutsche Ärzte auf Mallorca verdienen sich vormittags in ihren Privatpraxen eine goldene Nase und spielen nachmittags Golf. Soweit das Klischee.

Richtig ist, dass die meisten deutschen Ärzte auf der Insel tatsächlich privat arbeiten. Von ihrer Gebührenabrechnung und ihrem Freizeitvergnügen soll hier nicht die Rede sein. Tatsächlich arbeiten aber auch einige deutsche Mediziner auf Mallorca im öffentlichen Gesundheitssystem Ib-Salut und sind dort entgegen landläufiger Vorstellungen mindestens genauso zufrieden wie in Deutschland.

Im Gegensatz zur gängigen Praxis in Deutschland müssen im spanischen System keine unbezahlten Überstunden geleistet werden. Die außervertragliche Arbeitszeit wird zusätzlich zum Gehalt extra bezahlt. Außerdem arbeiten viele Ärzte in Spanien zusätzlich in einer Privatklinik. So erreichen sie Einkünfte, die oft sogar über dem Einkommen liegen, das sie in Deutschland erzielen würden - ohne eine höhere Wochenarbeitszeit zu haben. Auch das von Deutschen gern gepflegte Vorurteil, im öffentlichen System Spaniens würden die Patienten weniger gut behandelt, bestätigen die deutschen Ib-Salut-Ärzte nicht. Kenntnisstand und Methoden in Spanien seien ähnlich wie in Deutschland.

Als der Urologe Stefan Kamp vor knapp drei Jahren aus Mannheim nach Mallorca kam, arbeitete er zunächst ausschließlich in der privaten Clínica Picasso in Palma. Vor eineinhalb Jahren aber fing der 39-Jährige im öffentlichen Krankenhaus in Inca an. Spanische Kollegen hatten ihn dazu aufgefordert. „Die Ärzte hier sehen es nicht so gern, wenn man nur privat arbeitet, weil im öffentlichen System gut ausgebildete Fachärzte fehlen. Sie sind froh über jeden, der hilft.“ Mit seiner Entscheidung für Ib-­Salut ist Kamp rundum zufrieden. Er schätzt nicht nur den intensiven Austausch mit Kollegen und die neue Ausstattung an dem noch jungen Krankenhaus, sondern auch die damit verbundene Integration in die Insel-Gesellschaft. „Ich kenne jetzt die Leute, die bei mir im Dorf wohnen. Man hat das Gefühl, man gehört dazu und ist nicht mehr der geduldete deutsche Außenseiter“, sagt Kamp, der mit seiner Frau und seinen Kindern in Binissalem lebt. Der Traum der Familie, sich ein neues Leben im Ausland aufzubauen, hat sich damit erfüllt.

Kamp, der weiterhin auch in der privaten Clínica Picasso Patienten behandelt, warnt davor, das öffentliche Gesundheitssystem, privat finanzierte Behandlung in Spanien sowie das deutsche System nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen, und zieht einen Vergleich aus der Luftfahrt heran. „Wenn Sie im Urlaub nach Florida fliegen, wählen Sie je nach Ihren finanziellen Möglichkeiten ein Economy-, Business- oder First-Class-­Ticket. Sie fliegen von Palma nach Miami, der ­Pilot ist der gleiche. ­Alle kommen dort an, aber die einen können die Beine ausstrecken und bekommen tolles Essen, die anderen steigen erst zum Schluss ein, können den Flug nicht umbuchen und haben vielleicht schreiende Sitznachbarn.“

Die Qualität der öffentlichen Gesundheitsversorgung sei in vielen Bereichen gleichwertig mit der in Deutschland. „Dabei ist das System nicht so homogen. Vieles ist hier sogar besser, bei anderen Dingen denke ich mir, dass ich das seit 20 Jahren nicht gesehen habe.“

Als Pluspunkt vermerkt Kamp etwa die modern geführten, weil vollständig digitaliserten Krankenakten in Inca. Eher negativ sieht er die fehlende Transparenz. „Hier wird einem Patienten nicht eine halbe Stunde lang erklärt, warum eine Operation notwendig ist und wie das Vorgehen ist. Andererseits vertrauen die Leute hier mehr auf den Arzt unter dem Motto: Der wird schon wissen, was gut ist.“

Sein Kollege, der deutsche Kinderarzt Jan Rosenbaum, arbeitet auf der Neugeborenen-Station an der Klinik Son Llàtzer im Osten Palmas. Für den 38-Jährigen stand schon seit langem fest, dass er nach seiner Assistenzarzt-Zeit am Klinikum Leverkusen mit seiner spanischen Ehefrau in deren Heimatland ziehen würde. „Sie war lange Zeit mit mir in Deutschland. Ich war mal dran.“ Wie sein Kollege Kamp hat auch Rosenbaum den Wechsel auf die Insel nicht bereut. Schon der Anfang lief ganz nach seinem Geschmack - nämlich so locker und unkompliziert, wie das in Deutschland kaum zu erwarten ist. Der Arzt war Ende 2006 eigentlich nur für eine Woche Urlaub auf Mallorca, als er sich unversehens schon in zwei Vorstellungsgesprächen wiederfand, die ein Freund kurzfristig organisiert hatte. „Sogar der Chefarzt der Pädiatrie von Son Dureta hat spontan gesagt, ich solle mal vorbeikommen, obwohl dort gerade keine Stelle frei war.“ So kam es, dass Rosenbaum sich in beiger Traveller-Hose und einem flugs gekauften weißen Hemd bei den spanischen Kollegen vorstellte.

Auch er arbeitete dann jedoch zunächst in einer privaten Klinik, bevor er Anfang des Jahres nach Son Llàtzer wechselte. In der privaten Clínica Rotger hilft er weiterhin aus. „Die Reputation holt man sich im öffentlichen System“, sagt der Spezialist für zu früh geborene Babys. In der öffentlichen Klinik hat er mehr zu tun, gleichzeitig ist sein Arbeits­alltag auch vielfältiger. „Hier haben wir Frühchen, die vor der 32. Schwangerschaftswoche und mit einem Gewicht von unter 1.000 Gramm geboren wurden.“

Auch Rosenbaum ist vom öffentlichen spanischen System überzeugt. „Meine Kollegen hier sind super ausgebildet. Die Facharztausbildung ist mindestens gleichwertig zu der in Deutschland.“ Behandelt werde nach globalen Standards. Ein Unterschied zu Deutschland mache sich oftmals nur in Nuancen bemerkbar. „Neugeborene bekommen zum Beispiel weltweit Vitamin K zur Vermeidung von Blutungen. In Deutschland gibt man das zum Schlucken an Tag 1, 7 und 28. Hier wird es als einmalige intramuskuläre Injektion verabreicht. Beides hat Vor- und Nachteile.“

Regelrecht begeistert ist Rosenbaum von der Unterstützung bei der Kommunikation mit den ausländischen Patienten. Ohnehin spricht er regelmäßig nicht nur Spanisch, sondern auch Deutsch und Englisch in der Klinik. „Aber auch wenn ich zum Beispiel einer chinesischen Mutter etwas zu ihrem Baby erklären will, funktioniert das problemlos. Wir können dazu einen zentralen Übersetzerdienst in Madrid nutzen. Über Telefon wird hin und her übersetzt. Das erleichtert vieles.“