Pedro Sánchez ist aus den Parlamentswahlen vom Sonntag (28.4.) gestärkt hervorgegangen und wird Spanien weiter als Ministerpräsident regieren. Seine Sozialisten der PSOE waren mit fast 29 Prozent und 123 der 350 Sitze im Unterhaus mit Abstand die stärkste Kraft und konnten das Ergebnis der konservativen Volkspartei (PP) fast verdoppeln.

Der von vielen Spaniern befürchtete Rechtsruck ist ausgeblieben, obwohl mit Vox nun erstmals seit 1979 eine rechtsradikale Partei im Congreso de los Diputados Platz nimmt. Der extrem hitzige Wahlkampf hat offenbar viele Menschen zum Wählen animiert, denn die Beteiligung stieg gegenüber 2016 um neun Prozentpunkte auf 75 Prozent, den höchsten Wert seit 15 Jahren.

Sánchez braucht für eine Mehrheit im Parlament erneut mehrere Bündnispartner. Doch die politische Lage erscheint heute deutlich stabiler als in den vergangenen zehn Monaten der sozialistischen Minderheitsregierung. Seitdem er über ein konstruktives Misstrauensvotum gegen den Konservativen Mariano Rajoy im Juni vergangenen Jahres an die Macht gelangt war, hing Sánchez das Manko an, nur zweistärkste Kraft im Parlament zu sein. Die PP und die rechtsliberalen Ciudadanos stellten beinahe täglich die Legitimität des Ministerpräsidenten in Frage. Durch den Wahlsieg am Sonntag und die Schlappe der Rechten ist Sánchez nun ohne Zweifel die bevorzugte Wahl der Wähler für das Regierungsamt. Im Senat, der für viele Gesetzesvorhaben wichtig ist, verfügt die PSOE nun über eine absolute Mehrheit, welche zuvor die PP innehatte.

Außerdem ist der Sozialist nun nicht mehr auf die Stimmen sämtlicher anderer Parteien, außer PP und Ciudadanos, angewiesen, sondern er kann sich seine Partner aussuchen. Die Linkskoalition Unidas Podemos, die Stimmen und Mandate einbüßte, bietet sich als Regierungspartner an. Die PSOE will aber lieber allein in Minderheit weiterregieren. Dafür benötigen die Sozialisten die Unterstützung der moderaten baskischen Nationalisten der PNV sowie der katalanischen Republikaner ERC. Diese haben sich im Lager der Separatisten ganz klar gegen Junts per Catalunya, die Liste des früheren Ministerpräsidenten Carles Puigdemont, durchgesetzt. ERC, die 2017 mit Puigdemont die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens durchgesetzt hatte, hat zuletzt einen gemäßigteren Kurs eingeschlagen und einseitige, rechtswidrige Schritte auf dem Weg in die ersehnte Unabhängigkeit ausgeschlossen. Sánchez kann nun also mit den dialogbereiten Republikanern verhandeln und auf das radikalere Lager um Puigdemont verzichten.

Offenbar hatte die Aussicht auf eine Regierung von PP und Ciudadanos mit Vox, wie in Andalusien, die Wähler mobilisiert, vor allem in Katalonien, wo die Wahlbeteiligung sogar um 14 Prozentpunkte stieg. Bezeichnend ist das Abschneiden der PP, die in der Region mit 4,8 Prozent nur noch ein Abgeordnetenmandat für die Provinz Barcelona erreichte, genau soviel wie Vox. Im Baskenland gingen die Konservativen erstmals ganz leer aus, wie auch Ciudadanos und Vox. Das ist auch der Preis dafür, dass Pablo Casado von der PP und Albert Rivera von Ciudadanos im Wahlkampf mittels eines zügellosen spanischen Patriotismus mit den Rechtsradikalen rivalisierten.

Für Casado ist die Wahl eine Katastrophe. Mit 16,7 Prozent der Stimmen und nur 66 Abgeordneten fuhr die PP das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Der 38-Jährige hatte nach seinem etwas überraschenden Sieg bei der Wahl zum Nachfolger von Mariano Rajoy letzten Juni die Partei ganz eindeutig nach rechts bewegt und einen harten Kurs, „ohne Komplexe", gegen die Separatisten und Linke geführt. Das hat offensichtlich nicht funktioniert. Nun blickt man mit Spannung darauf, ob sich Casado an der Spitze der PP halten kann. Denn vielen Konservativen ist am Sonntag mit Blick auf die Kommunal- und Regionalwahlen am 26. Mai das Herz in die Hose gerutscht.

Rivera seinerseits flüchtete sich am Wahlabend in den Anstieg von 32 auf 57 Sitze für die Ciudadanos. Doch kann er damit kaum vertuschen, dass er seine großen Ziele verfehlt hat, nämlich die PP als stärkste Kraft rechts der Mitte zu überholen und Sánchez zu stürzen. Rechnerisch ergibt sich eine absolute Mehrheit von PSOE mit Ciudadanos. In einer kontroversen und im Rückblick wahrscheinlich falschen strategischen Entscheidung hatte Rivera im Wahlkampf jeglichen Pakt mit Sánchez ausgeschlossen. Nun sind andere Töne zu vernehmen. Der Generalsekretär von Ciudadanos, José Manuel Villegas, erklärte am Montagvormittag im Radiosender SER, man wolle eine „konstruktive Opposition" sein und „punktuelle Abkommen" bei den großen Themen eingehen.

Das lässt darauf hoffen, dass die spanische Politik die übertrieben harte Konfrontation der letzten Zeit überwinden und wieder konstruktiver agieren könnte. Ob dem so ist, wird der Wahlkampf für den 26. Mai zeigen.

Kommentar: Links- und Rechtsruck zugleich