Wer eine Ahnung davon haben will, wie die ­Politik von Spaniens neuer Linksregierung in der Praxis aussehen wird, kann einen Blick auf Mallorca werfen. Trotz aller Unterschiede zwischen einer Zentral- und einer Landesregierung gibt es große Gemeinsamkeiten. Zum einen die parteipolitische Konstellation: In Madrid wie auf den Balearen koalieren die Sozialisten mit der Linkspartei Podemos. Zum anderen spielen Regionalparteien eine entscheidende Rolle - auf den Inseln die linksökologische und mit separatistischen Kräften sympathisierende Més als Koalitionspartner, in Madrid gleich eine Reihe von Parteien, die als schlagkräftige Lobby ihrer Region agieren.

Aber auch bei den Themenschwerpunkten gibt es große Schnittmengen. So sind in der beginnenden Legislaturperiode in Spanien Gesetze zu erwarten, die die balearische Links­regierung bereits in ähnlicher Form in den vergangenen vier Jahren verabschiedet hat - so beispielsweise in den Bereichen Klimawandel, Müllvermeidung oder der Bewältigung der Franco-Vergangenheit. Zugleich hofft die ­balearische Ministerpräsidenten Francina ­Armengol darauf, dass ihr Partei- und Amtskollege in Madrid, Pedro Sánchez, mit Gesetzesänderungen den Weg frei macht für einige zentrale Vorhaben der Inselpolitik.

Mietpreisbremse für Palma

Angewiesen auf Madrid ist die Landesregierung etwa bei der Bekämpfung der Wohnungsnot. So kündigten die balearischen ­Sozialisten in ihrem Wahlprogramm zum ­Urnengang 2018 zwar eine Mietpreisbremse an. Um eine solche umzusetzen, muss aber die Zentralregierung zunächst Vorarbeit leisten - bei ihr liegt die Zuständigkeit für die Langzeitvermietung. „Das neue spanische Miet­gesetz gibt uns Handlungsspielraum, es fehlen aber noch die Ausführungs­bestimmungen", so Armengol damals im MZ-Interview.

Die Zentralregierung soll es nun ermöglichen, dass in von Wohnungsnot bedrohten Regionen die öffentliche Verwaltung einen ­Index mit Referenzpreisen erstellen kann. Mit diesem Mietspiegel lassen sich dann Obergrenzen festlegen. Die Landesregierung hat bereits mit dem Rechnen begonnen. Neben Ibiza-Stadt dürfte in erster Linie Palma eine Mietpreisbremse einführen - hier sind die Preise in den vergangenen sechs ­Jahren um durchschnittlich 40 Prozent gestiegen. Konkret nachgedacht wird im Rathaus über eine Art Zonenregelung für verschiedene Viertel.

Keine wesentlichen Änderungen sind dagegen bei der Regulierung der Ferienvermietung zu erwarten, hier liegen die Kompetenzen ohnehin bei den Regionalregierungen.

Neue Chance für Diesel-Verbot

In der Luft hängt die balearische Linksregierung zudem mit dem geplanten Verbot von neuen Dieselfahrzeugen ab dem Jahr 2025. Was Umweltschützer als Pioniertat feierten, kritisierte insbesondere die Autoindustrie als Schnellschuss. Auch die Zentralregierung ­meldete Zweifel an der Zuständigkeit für ein solches Verbot an. Im Oktober einigten sich deswegen der balearische Minister für Klimaschutz, Pedro Yllanes, und seine Amtskollegin aus Madrid, Teresa Ribera, auf eine Stand-by-Lösung: Die Landesregierung setzt das Verbot aus, vertraut aber darauf, dass die Zentral­regierung rechtzeitig ein spanienweites ­Klimaschutzgesetz beschließt. Dieses soll den Regionen dann explizit die Möglichkeit für derlei Verbote einräumen. Nebenbei wurde so auch der Autoindustrie der Wind aus den ­Segeln genommen, sie zog zwischenzeitlich eine bereits eingereichte Klage wieder zurück.

Das Kalkül scheint aufzugehen, Sozialisten und Podemos stuften das geplante spanische Klimaschutzgesetz im Koalitionsvertrag von Sozialisten und Podemos als Priorität ein. Es würde nicht nur den Weg für die weitergehenden Verbotspläne ebnen - ab 2035 sollen auf der Insel nur noch Autos erlaubt sein, die nicht mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden -, sondern auch in weiteren Punkten Klimaschutz-Minister Juan ­Pedro Yllanes den Rücken stärken. Dazu ge­hören etwa Hilfen für Elektroautos und Ladestationen.

Bei der Zielmarke 2050 - bis dahin soll die Energieversorgung ganz und gar ohne fossile Brennstoffe auskommen - plant Madrid die gleichen Vorgaben wie die balearische Linksregierung. Schon allein die Tatsache, dass endlich eine Regierung zustande kommt, dürfte ein Schub sein für die Sonnenenergie auf Mallorca. Ausführungsbestimmungen für eine Einspeisevergütung bei Fotovoltaikanlagen hat die bislang nur geschäftsführende Regierung von Sánchez zwar angekündigt, aber bislang nicht umgesetzt.

Hoffen auf mehr Geld

Auch wenn Premier Sánchez die Balearen bei der Debatte vor seiner Wahl im spanischen Parlament praktisch mit keinem Wort erwähnte, hoffen die Inseln auf mehr Geld von der neuen Regierung in Madrid. Der Koalitions­vertrag von Sozialisten und Podemos sieht eine Reform der Regionenfinanzierung vor, explizit erwähnt sind aber nur Katalonien oder etwa die von Abwanderung bedrohten Regionen, nicht aber der seit Langem versprochene REB. Die Abkürzung steht für Régimen Especial de les Illes Balears. Eine solche ­„Sonderregelung für die Balearen" soll die ­finanziellen Nachteile durch die Insellage ­ausgleichen. Die zugesicherte Umsetzung, speziell von steuerlichen Vergüngstigungen, wurde ausgebremst, als vor einem Jahr das ­Parlament für Neuwahlen aufgelöst wurde.

Und wenn es dann endlich wieder eine ordentliche Regierung gibt, dürfte auch ein Gesetz fallen, das speziell in den Rathäusern Kopfzerbrechen bereitet. So sieht die im Zuge der Wirtschaftskrise beschlossene Ley Montoro enge Grenzen bei den öffentlichen Ausgaben vor. Was vor Überschuldung schützen sollte, erweist sich inzwischen als Hemmschuh für wichtige Investitionen. Ganz nebenbei fällt dann auch ein Argument für viele Lokalpolitiker weg, warum aus bestimmten Projekten noch immer nichts geworden ist.