Bartolomé Cursach gehören die bekanntesten Nachtclubs und Diskotheken der Insel, zahlreiche Restaurants, ein Hotel und sogar das größte Fitnessstudio Mallorcas. Jetzt will sich der legendäre Unternehmer von seinem Tafelsilber trennen. Fast alles steht zum Verkauf. Die Restaurants Linos, 800 Grad, Asadito, die Diskotheken The Club, Tito's, BCM und das BH Hotel. Verbleiben noch das erst kürzlich umgebaute Fitnessstudio Megasport und - vor allem - der Megapark an der Playa de Palma. Doch auch dazu schießen Gerüchte ins Land.

Langsam geht somit die Ära eines Mannes zu Ende, der wie kaum ein anderer die Strippen in Mallorcas Nachtleben zog. Vom Balljungen zum Ballermann-Boss. So könnte man die letzten fünf Jahrzehnte im Leben des Bartolomé „Tolo" Cursach (73) in nur einem Satz beschreiben. Cursach ist die vielleicht schillerndste ­Persönlichkeit, die Mallorca seit Juan March (1880-1962), dem von Mythen umrankten Schmuggler und Bankier, erlebt hat. Dass March tatsächlich sogar ein Vorbild für den jungen Tolo gewesen sein könnte, liegt fast auf der Hand. Die erste Diskothek, die der öffentlichkeitsscheue Mallorquiner betrieb, trug den Namen des ein paar Jahre zuvor verstorbenen umstrittenen Bankers: „March". Ein kleiner Club mit Livemusik, den Cursach Ende der 60er-Jahre in Arenal eröffnete.

Der Erfinder des Flatrate-Saufens

Die Karriere des aus einfachsten Verhältnissen stammenden Cursach beginnt eigentlich auf einem Tennisplatz. Er ist der Sohn des Platzwarts. Tolito, wie er damals genannt wird, unterstützt die Familie mit seinem kargen ­Verdienst als Balljunge. Er wird sogar ein passa­bler Spieler, der für Turniere in den 60er-Jahren Jahren aufs Festland reist. Zu dieser Zeit herrscht Goldgräberstimmung auf Mallorca. Dank der deutschen Versandhäuser Otto, ­Neckermann und Quelle boomt der Tourismus. Viele Einheimische verlagern ihr Geschäft weg von Landwirtschaft und Manufakturen hin zum lukrativen Fremdenverkehr. Cursach sucht sich ebenfalls ein neues Spielfeld und findet seinen neuen Platz in der Seitenstraße Carrer Berlin an der Playa de Palma.

Es beginnt mit einem finanziellen Fiasko, denn dem jungen Unternehmer fehlen schlicht die Gäste, um das March rentabel zu führen. Als er kurz vor der Pleite steht, rettet ihn eine Idee: Er erfindet auf der Insel das Flatrate-Saufen, das damals noch nicht so genannt wird. Seine Gäste zahlen nur Eintritt und dürfen dann die ganze Nacht umsonst trinken. Plötzlich läuft der Laden. Cursach legt damit den Grundstein für Unternehmungen, die das Image der Insel in den nachfolgenden Jahrzehnten dauerhaft prägen sollten: Hauptsache, besoffen!

Warum nicht eine Großraumdisco auf Mallorca?

Mit dem Erfolg eröffnet der „Frauenheld und Gentleman", wie ihn alte Weggefährten beschreiben, weitere kleine Diskotheken in Palma und investiert in das längst Kult gewordene Oberbayern, an dem er sich Ende der 70er-Jahre beteiligt. Wenige Jahre später trennt er sich von der Keller-Diskothek an der Strandpromenade. Er plant Größeres. Zu diesem Zeitpunkt erleben die Großraumdiscos in Deutschland ihre Sternstunden. Wieso sollte das nicht auf Mallorca klappen?

Er pachtet einen riesigen Keller, der sich unterhalb des Hauptquartiers der Hotel­gruppe Riubefindet. So entsteht 1983 das zu ­diesem Zeitpunkt hochmoderne Riu Center ­Palace, kurz Riu Palace, mit einem Fassungsvermögen von knapp 4.000 Gästen und einer spektakulären Lasershow. „Es war, als wäre ­damals ein Raumschiff auf Mallorca gelandet", schwärmt noch heute der Gastronom Mika Ferrer, der seine gesamte Jugend an der Playa verbracht hat und unter anderem das Chalet Siena betreibt.

Aggressive Marketingmethoden

Doch werden die Schattenseiten der UFO-Landung schnell sichtbar. Cursach und sein damaliger Direktor, Radja Dalimontee, zwingen mit einem bis dato unbekannten aggressiven Marketing viele Mitbewerber in die Knie. Mit einer Armada von Promotern, die sie vor Konkurrenzunternehmen positionieren, beginnen sie ihren Siegeszug. Ende der 70er-Jahre gibt es knapp 30 Diskotheken an der Playa, zehn Jahre später hat sich die Zahl halbiert.

Hilfe soll Cursach dabei auch von höchster Stelle erhalten haben. Politik und Polizei stellen sich willig an die Seite des Impressarios, heißt es später in Ermittlungsakten, Bestechung und Korruption sollen Teil seines erfolgreichen Geschäftsmodells gewesen sein.

In den 90er-Jahren setzt Cursach zum ­Höhenflug an. Er eröffnet in Magaluf die ­größte Diskothek der Insel, das BCM. Mehrfach wird die Disco zu einem der besten Clubs der Welt gewählt, internationale Superstars wie Carl Cox, Sven Väth oder David Guetta ­stehen hier an den Plattentellern. Cursach gründet sogar eine Fluggesellschaft (BCM ­Airlines), die die hungrigen Party-People von England auf die Insel bringen soll, stößt diese Airline aber aus Angst vor Flugzeugabstürzen schnell wieder ab.

Eine neue Dimension des Ballermanns

Cursachs größter Coup ist allerdings die Eröffnung eines Partytempels am Balneario 5 an der Playa de Palma, wo bis 1999 das Hotel Los Angeles stand. Lediglich gerüstet mit einer Lizenz für eine Cafeteria und einen Parkplatz baut er auf das Grundstück ein Lokal, das bis heute seinesgleichen sucht: den Megapark. Der Feier-Komplex stellt das Urlauberleben an der Playa gehörig auf den Kopf. Wurde bisher erst ab nachmittags am Balneario 6 gefeiert und anschließend in den Diskotheken, so fängt die Party jetzt schon um 10 Uhr morgens an. Die Kombination Freibier und Go-go-Girls tagsüber und Auftritte von Künstlern in der Nacht bringen den Erfolg.

Auf derselben Parzelle betreiben mit den Brüdern Pascual Bibiloni (Bierkönig ausgerechnet seine größten Konkurrenten das Restaurant Don Quixote. Cursach kauft deshalb das Pancho in der Schinkenstraße, nur um den Bierkönig mit Anzeigen wegen Ruhestörung oder Überschreiten der Kapazitäten zu überziehen. Nichts anderes machen die ­Pascuals mit dem Megapark. Als beide Parteien bemerken, wie sehr sie sich mit den Sabotage-Aktionen ins eigene Fleisch schneiden, setzen sie sich an einen Tisch. Die Grundstücke werden getauscht. Das Don Quixote wird in den Megapark integriert, das Pancho in den Bierkönig. So entstehen auf illegale Weise - so der spätere Vorwurf der Behörden - zwei ­riesige Feier-Komplexe, die es so nie hätte ­geben dürfen, die aber zu Wahrzeichen des Ballermanns des neuen Jahrtausends werden: Bierkönig und Megapark.

Zugleich gelingt der gesellschaftliche Aufstieg. Cursach beteiligt sich an den Fußball­vereinen Atlético Baleares und Real Mallorca. Letzterer Club, der zurzeit in der zweiten Liga spielt, schafft es 2002 sogar bis in die Cham­pions League. Cursach versenkt viel Geld in diesem Geschäft, aber sein öffentliches Ansehen steigt. Viele Mitarbeiter sind voller Stolz, wenn sie davon reden, für wen sie arbeiten.

Das Denkmal beginnt zu bröckeln

Mitte der Zehnerjahre wendet sich langsam das Blatt. Ende 2015 muss das Riu Palace für immer schließen. Die in die Jahre gekommene Großkeller-Disco war schlicht nicht mehr zeitgemäß. Dafür boomt die Freiluft-­Disco Megapark mit einem Durchlauf von bis zu 16.000 Menschen pro Tag. Noch.

Während der Bierkönig unbemerkt von der Öffentlichkeit ab 2017 einen behördlich „empfohlenen" Rückbau des Panchos vornimmt, werden behördliche Maßnahmen gegen ­Cursach publik. Mit aller Härte gehen Staats­anwaltschaft und die Linksregierung seither ­gegen den einstigen Balljungen vor. Anfang Februar 2017 wird Cursach festgenommen und 14 Monate in Untersuchungshaft gesteckt. Die Vorwürfe lesen sich wie ein Kriminalroman, der nach Verfilmung schreit. Von Bildung einer kriminellen Vereinigung und Drogenhandel über Korruption, Beamtenbestechung bis hin zu Totschlag ist alles dabei.

2018 kommt Cursach nach Zahlung einer Millionen-Euro-Kaution auf freien Fuß, nur um zu erleben, wie das Baudezernat den ­Megapark halbiert. Verstöße gegen die Lizenz und illegale Umbauten mutmaßen die Behörden. Auch der jüngst wieder eröffnete Fitness-Komplex Megasport, das Tito's und das BCM müssen zeitweise wegen Baumängeln oder ­Lizenzverstößen schließen.

Corona bringt das Imperium zum Wanken

Doch Cursach kämpft. Es gehe ihm darum, seinen einst guten Ruf wiederherzustellen, sagt ein langjähriger Weggefährte. Mit ­einer juristischen Gegenoffensive gelingt es ihm, die rabiaten Ermittler aus dem Spiel zu nehmen und Zeugen, die gegen ihn aus­sagen, zu diskreditieren. Mittlerweile findet sich auf den Balearen kein Richter mehr, der den immer verworreneren Fall freiwillig ­verhandeln will.

Letztendlich ist es Corona, das das Imperium ins Wanken bringt. Cursach dürfte in diesem Jahr den schlechtesten Umsatz seit den ersten Tagen des March eingefahren haben. Keine gute Position im Hinblick auf ausstehende Gerichtsverfahren, zu bedienende Kredite in Millionenhöhe und ein unberechenbares Virus, das schon jetzt seinen Schatten auf die nächste Saison wirft.

Bereits während der Finanzkrise wollte sich Cursach von seinen Diskotheken bis auf den Megapark trennen. Doch wollte Anfang 2011 niemand investieren. Jetzt wird wieder verkauft. Scheibchenweise. Das Riu Palace soll für 2,5 Millionen Euro an die Riu Gruppe gegangen sein. Derzeit wird es zum Großraumbüro umgebaut. Das Linos ist für 1,5 Millionen Euro "traspaso" zu haben. Das 800 Grad kostet derzeit 2,6 Millionen, The Club 5,5 Millionen, das Asadito 6,5 Millionen, und für das Tito's werden 16,5 Millionen Euro aufgerufen. Ein Schnäppchen, verglichen mit dem BCM und BH Hotel, die im Paket bisher um die 150 Millionen Euro kosten sollten. Bei den meisten dieser Lokale dürfte es derzeit schwer werden, Investoren oder Käufer zu finden. Der Winter steht vor der Tür, die kommende Saison ist virusbedingt kaum zu planen. Es sind unsichere Zeiten.

Und auch über den Megapark mehren sich die Gerüchte. Der Chef Bartolomé Cursach habe keine Lust mehr, heißt es von szenekundiger Seite. Er wolle alles hinter sich lassen und seinen Lebensabend in Frieden genießen. Erster Interessent am Megapark sei ausgerechnet der Erzfeind: die Pascuals. „Blödsinn", wird von Megapark-Seite kommentiert. Der Megapark sei unverkäuflich. Auch der Konkurrent aus dem Bierkönig dementiert jegliche Verhandlungen. Doch dieses Gerücht ist bezeichnend für den Ernst der Lage. Inoffiziell heißt es, es würde über den Einstieg von Investoren oder über ähnliche Maßnahmen nachgedacht. Der Megapark dürfte mit einem geschätzten Jahresumsatz von 30 Millionen Euro durchaus das Potenzial für eine ordentliche Rendite haben. Die Frage ist nur, wann jemals wieder ein Zustand auf Mallorca erreicht wird, der Massen-Events erlaubt.

Dieser Artikel erschien zum ersten Mal am 22. Oktober 2020.