Die Familie Jaume besitzt die zu Bunyola gehörenden Raixeta-Ländereien schon seit mehreren Generationen, darauf ist Antoni Jaume sehr stolz. Der heute in Palma de Mallorca wohnende 82-Jährige erinnert sich gut daran, wie er als Kind in den Wäldern mit seinem Vater unterwegs war. Und auch jetzt besucht er das unberührte Stück Natur, auf dem nur eine steinerne Jagdhütte steht, fast täglich. Zum Beispiel um einen jungen Feigenbaum mit einem Drahtgeflecht vor den gefräßigen Ziegen zu schützen. Oder um, wie heute, zusammen mit Sohn Fernando das Gatter zu richten, das Unbekannte ein paar Tage zuvor einfach umgeworfen hatten. Zum x-ten Mal.

Auf dem Weg treffen die beiden eine Gruppe Ausflügler, die ihren wild umherspringenden Hund auf Raixeta Freilauf gewähren. Jaume Senior und Jaume Junior grüßen freundlich, ärgern sich dann aber: „Die Schilder zeigen an, dass der Wanderweg am Grundstück vorbeiführt. Aber alle laufen lang, wo es ihnen passt." Wenig später treffen die Jaumes auf Forstarbeiter des Inselrats, die auf der benachbarten öffentlichen Finca Raixa ebenfalls einen umgeworfenen Zaun reparieren. Es waren wahrscheinlich dieselben Unbekannten, die zuvor „mit Lösungsmitteln" die roten Lettern am Zufahrtstor der Jaume-Finca abgeschrubbt hatten. Statt „Privatgrundstück, Durchgang verboten", steht da jetzt nur noch „Durchgang". Der pensionierte Beamte findet das Wortspiel nicht witzig. Und auch dass eine Zeitung den Spazierweg über sein Grundstück am Wochenende als Ausflugstipp veröffentlicht hat, macht ihn wütend. „Man darf nicht einfach überall langgehen, die sollten sich mal bei den Behörden erkundigen."

Im balearischen Umweltministerium kennt sich mit dem Thema kaum jemand besser aus als Susana Llobet. Die Direktorin für das Schutzgebiet der Tramuntana ist im Zwiespalt. Einerseits freut sie sich, dass im Zuge von Corona immer mehr Menschen die Natur genießen. Man merke aber auch, dass viele der „neuen Ausflügler" nicht wüssten, welche Regeln beim Wandern in der Tramuntana gelten, deren Fläche nicht nur unter Schutz stehe, sondern auch zu 97 Prozent in Privatbesitz sei. Das Ministerium druckte eine viersprachige Broschüre, die erklärt, dass man auf den ausgeschilderten Wegen bleiben muss, Hunde an der Leine führen sollte, Müll nicht in die Büsche gehört und die Brocken aus Trockensteinmauern oder Köhlerhütten nicht zum Bauen von Bänken oder Feuerstellen gedacht sind.

Da solche Grundregeln oft missachtet würden, hätten auch die Beschwerden der Gutsbesitzer wieder zugenommen. Denn eigentlich war etwas Ruhe in den Streit gekommen, seit der Inselrat ein Register über öffentlich nutzbare oder als rein privat geltende Wege angelegt hatte. Darin sind die Wege in Kategorien unterteilt. Selbstverständlich zugänglich sind öffentliche Wege auf öffentlichem Grund. Eindeutig verboten sind reine Privatwege auf Privatgrund. Doch dazwischen gebe es den großen Graubereich von traditionell als Durchgang genutzten Pfaden über private Fincas, erklärt Llobet. Finca-Besitzer müssen hier die Durchquerung dulden, können aber zum Beispiel Hunde verbieten, weil diese regelmäßig Schafe verjagen - zumal unerfahrene Wanderer gerne vergessen, die Gatter zu schließen.

Viele Fragen bleiben offen. Dürfen die Wege uneingeschränkt auch mit Mountainbikes, Pferden oder kommerziell von großen Wandergruppen genutzt werden? Wer ist verantwortlich, Waldbrände zu vermeiden? Zudem sei die Liste des Inselrats zwar allen Rathäusern zugestellt worden. Viele Kommunen hätten sie aber auch Jahre später noch nicht abgesegnet, um Streit mit Besitzern und Nutzern zu vermeiden. Und in diese Kategorie fallen auch die Wege auf der Jaume-Finca. Das kommunale Wegeregister in Bunyola wartet seit dem Jahr 2019 auf seine Verabschiedung. /tg