Wer den Blick über die Bucht von Sóller streifen lässt, denkt an einen Bootsausflug nach Sa Calobra, an die historische Straßenbahn, die von hier nach Sóller fährt, an eine Wandertour in die umliegenden Berge. Dass der idyllische Hafen aber Schauplatz militärischer Manöver war und sich hier vor genau 75 Jahren eine Tragödie abspielte, passt so gar nicht ins Bild. Am 27. Juni 1946 sank in der Bucht das U-Boot „C-4“, alle 44 Besatzungsmitglieder kamen ums Leben – ein Unglück, an das Anfang der Woche Angehörige der Marine und der Gemeindeverwaltung mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Militärstützpunkt im Hafen erinnerten.

Die „C-4“ unter Korvettenkapitän Francisco Reina Carvjal hatte keine Chance. Als es an jenem Tag gegen 14 Uhr rund zwölf Meilen vor der Küste auftauchte, lief der Zerstörer „Lepanto“ auf das Boot auf und riss es förmlich in zwei Teile. Der Aufprall ereignete sich zwischen Kanone und Bug des U-Boots, die „Lepanto“ war mit einer Geschwindigkeit von 14 Knoten (26 Stundenkilometer) auf das Unterseeboot gefahren. Die Matrosen des Zerstörers mussten dabei zusehen, wie die Kameraden in die Tiefe gerissen wurden. Die Kanone des U-Boots hatte sich in den Rumpf der „Lepanto“ gebohrt, der Zerstörer konnte nur mit Mühe in den Hafen zurückkehren.

Der Unfall ereignete sich bei einem Routine-Manöver der Marine. Dazu muss man wissen, dass unter Diktator Franco Sóller nach Cartagena und Maó die wichtigste spanische U-Boot-Basis war. Von den Manövern vor der Küste Mallorcas zeugen noch heute etwa die Obelisken in den Dünen der Playa de Muro: Die im Abstand von jeweils 1.240 Metern aufgestellten Navigationspunkte dienten den U-Boot-Kapitänen zur Kreuzpeilung bei Torpedo-Übungen vor der Küste.

In der Bucht von Sóller sollte an jenem Unglückstag das schnelle Orten feindlicher Schiffe trainiert werden. Warum es zu dem tödlichen Unfall kam, ist bis heute ungeklärt. Die Rede war von Sabotage, auch von Kommunikationsschwierigkeiten, eine Untersuchung blieb ergebnislos. Zunächst wurde das gesunkene U-Boot als vermisst geführt, bevor es dann am 7. Februar 1947 aus dem offiziellen Flottenbestand gestrichen wurde. Das Manöver ging derweil trotz des Unglücks weiter. Erst am 6. Juli kehrten die Kriegsschiffe in ihren Heimathafen Cartagena zurück, nicht ohne vorher an der Unglücksstelle den toten Kameraden zu gedenken. Die eigentlichen Trauerveranstaltungen fanden dann auf dem Festland statt, die meisten Opfer stammten aus der Region Murcia.

Bevor die 73 Meter lange „C-4“ in den Diensten Francos auf Tauchgang ging, hatte sie auch den Republikanern Dienste geleistet. So war das im Jahr 1929 vom Stapel gelaufene U-Boot im Jahr 1938, inmitten des Spanischen Bürgerkriegs, von der republikanischen Regierung in Katalonien in den Dienst der Post gestellt worden. Das U-Boot sollte Briefe zwischen Barcelona und Menorca transportieren. Das Unterfangen scheiterte bereits nach der ersten Fahrt – doch die eigens gedruckten Briefmarken genießen unter den Sammlern bis heute höchste Wertschätzung. Zu den Anekdoten rund um das Schiff gehört zudem auch, dass Diktator Francisco Franco drei Monate vor dem Unglück für einen Festakt zum Gedenken der versenkten „Castillo de Olite“ an Bord der „C-4“ war, als sie in Cartegena lag.

Die Opfer eines der größten Schiffsunglücke, die sich in balearischen Gewässern ereignet haben, ruhen noch immer in rund 800 Meter Tiefe. Es wurde gelegentlich angeregt, das U-Boot zu bergen. Aber die Angehörigen sprachen sich dafür aus, dass es ein Seemannsgrab bleiben sollte.