Einfach nur dasitzen, die ab Sonnenuntergang einsetzenden etwas kühleren Luftzüge genießen und ansonsten nichts anderes tun, als sich mit Nachbarn oder Verwandten über die Seichtigkeiten des Tages auszutauschen. Für diese vor allem im Sommer ausgiebig praktizierte Tätigkeit – um nicht von Untätigkeit zu sprechen – haben die Mallorquiner einen festen Ausdruck: prendre sa fresca (wörtlich: „die Frische nehmen“). Es entspricht etwa dem, was eine andere Generation gern als „chillen“ bezeichnet.

Womöglich könnte diese Art des abendlichen Runterkommens zu internationalen Ehren kommen. Die Initiative dafür hat allerdings nicht die Insel ergriffen, sondern das 1.400-Seelen-Dorf Algar in der südspanischen Provinz Cádiz. Dort nennt man das abendliche Rumlungern auf vor die Haustür gestellten Plastikstühlen la charla al fresco – wir übersetzen mal mit „Palaver in der Abendfrische“. Dieser Brauch sei so schützenswert, dass man bei der Unesco die Anerkennung als Weltkulturerbe beantragt habe, heißt es in Algar.

Aufgeregte und möglicherweise gar etwas neidische Anrufe mallorquinischer Journalisten, weil man hierzulande doch schließlich dieselbe Gepflogenheiten habe, beantwortete Algars Bürgermeister José Carlos mit vorbildlicher Entspanntheit. „Wir haben keinerlei Problem damit, die Anerkennung mit anderen zu teilen“, sagt er und fügt hinzu: „In Algar wollen wir nicht, dass unsere Bräuche, unsere Tradition und unser Umgang mit den Nachbarn verloren gehen. Deshalb regen wir an, die ‚Palaver in der Abendfrische‘ zum Weltkulturerbe zu machen.“

Auf Mallorca findet die Initiative allgemeine Unterstützung. Sollte die Unesco das gepflegte Nichtstun anerkennen, wäre das „genial“, wie es die Auszubildende Caterina ausdrückt, während sie in Portocolom mit ihrer Freundin vor der Tür sitzend Karten spielt. „Ich habe das mein ganzes Leben gesehen und schon als Kind selbst praktiziert“, sagt sie.

Im Smartphone-Zeitalter ist das analoge Tratschen und Lästern so weit weg vom städtischen Mainstream, dass sich sogar schon Kulturforscher mit dem Phänomen beschäftigen. Zum Beispiel der Mallorquiner Rafel Perelló. Prendre sa fresca entspreche den heutigen sozialen Netzwerken, sagt er. „Jetzt haben wir Internet, Fernsehen, Radio, aber früher gab es das nicht.“ Also tauschte man sich mit der eigenen Familie und den Nachbarn aus, um auf dem Laufenden zu bleiben. Die Themen, so Perelló, blieben dabei meist recht seicht. Ein Klassiker sei das Klagen über die Sommerhitze oder jetzt selbstverständlich die Pandemie. Ob das die Unesco überzeugt?