Die Rettungsschwimmer wachen nur tags und nur am Strand. Um das restliche Meeresareal rund um die Balearen – etwa 85.000 Quadratkilometer – kümmert sich die Tag und Nacht einsatzbereite Seenotrettung, das Salvamento Marítimo. Im Sommer wechseln sich mehr als hundert Personen schichtweise ab, um rund um die Uhr eine minutenschnelle Bereitschaft zu garantieren.

Miguel Chicón vor dem "Helimer" am Flughafen Palma. Salvamento Marítimo

Der Dienst wurde 1993 eingerichtet und seither kontinuierlich ausgebaut. Vergangenes Jahr wurde die Zahl der Helikopter-Teams von zwei auf vier verdoppelt. Der an Palmas Flughafen Son Sant Joan bereitstehende "Helimer" ist nun permanent mit einem Viererteam besetzt – Pilot, Co-Pilot, Seilwindenführer und Retter. Die maximale Reaktionszeit von Notruf bis Start hat sich somit von 45 auf 15 Minuten verkürzt.

Miguel Chicón ist seit 1994 für die Einsatzzentrale in Palma tätig und seit 1996 ihr Leiter. Der MZ erklärt er, wie sie funktioniert, die Seenotrettung rund um Mallorca. Allein in der Zentrale wechseln sich 17 Personen ab, um Funksprüche, Telefonanrufe oder sonstige Kommunikationen zu koordinieren und Entscheidungen zu treffen. Jeden eingegangenen Notruf – vom Motorboot ohne Sprit bis zum Großbrand auf der voll besetzten Fähre – gilt es schnell einzuschätzen, und dann sind alle nötigen Mittel zu mobilisieren. Das kann der „Helimer“ vom Flughafen sein oder eines der sechs Schnellschiffe, die in Puerto Portals, Portocolom, Alcúdia, Eivissa, Maó und Ciutadella stationiert sind. Oder auch eines der beiden größeren Rettungsschiffe, deren Besatzungen an Bord leben – im monatlichen Teamwechsel.

Im Bedarfsfall werden auch Guardia Civil, das Militär oder die Kollegen aus Valencia oder Frankreich eingeschaltet, stellt Chicón klar. Auch Fähren, Frachter oder in der Nähe befindliche Privatyachten können zur Mithilfe herangezogen werden. Die Entscheidung fällt blitzschnell in Palma. Oft werden Notrufe deutscher Segler in balearischen Gewässern auch über die deutsche Seenotrettung empfangen, die diese an Palma weitergibt. Ebenso oft muss man sich mit den Behörden in Algerien oder Frankreich verständigen. "Die See" – Chicón nutzt das Femininum la mar – "kennt keine Grenzen."

"Zu 80, 85 oder 90 Prozent" handelt es sich um Hilferufe von Booten aus dem Sport- und Freizeitbereich. Entsprechend niedrig ist die Einsatzzahl im Winter – im Januar waren es elf Fälle –, während sie im Hochsommer das Maximum erreicht. Im August waren es 168 Notfälle. „Ab September geht die Zahl wieder langsam zurück, das ist jedes Jahr so.“

Bei Wirtschaftskrisen, wie nach 2008, sinke die Zahl der Unfälle deutlich. Im Boomjahr 2019 wurden mit 650 Notfällen binnen zwölf Monaten alle Rekorde gebrochen. Im Corona-Krisenjahr fiel die Anzahl auf 528 zurück. Zwar gab es insgesamt viel weniger Urlauber, dafür nahm die Zahl der Menschen zu, die sich aus Angst vor Ansteckung lieber auf dem Meer isoliert haben – nicht nur die Zahl der Urlaube im Wohnmobil nahm zu, sondern auch die Zahl der Yachturlauber.

Bei den meisten Notfällen ist das Problem schnell gelöst: hier etwas Treibstoff, dort ein in den Hafen geschleppter Hobby-Segler. Ernstere Probleme sind die Notrufe "Leck im Schiff" – hier wird meist mit einer sehr leistungsfähigen Pumpe ausgeholfen, während das Schiff in den nächsten Hafen begleitet wird – oder "Mann über Bord". Hier sei es oft sehr schwer, die Person im Wasser zu orten. Eine reflektierende Weste (siehe Tipps der Seenotrettung), noch besser mit automatischem Blinklicht, kann bei Dunkelheit "aus drei, vier oder fünf Meilen Entfernung entdeckt werden", sagt Chicón. Einen dunkel gekleideten Ertrinkenden, von dem vielleicht nur sekundenweise der Kopf aus dem Wasser zwischen den Wellen ragt, sei schon am Tag sehr schwierig, bei Nacht fast unmöglich auszumachen.

Wer zahlt so einen Einsatz? „Ein Menschenleben hat keinen Preis“, sagt Chicón. Wenn es um das Retten von Personen geht, werden alle notwendigen Mittel eingesetzt. Das gilt selbstverständlich auch für in Seenot geratene Migranten. Die Rechnung trägt der Staat. Anders verhält es sich beim Abschleppen von Schiffen oder der Assistenz bei aufgelaufenen Fähren wie vergangene Woche bei der „San Gwann“ (MZ berichtete). Für die Mithilfe und die Aufsicht beim Wiederflottmachen des Schiffs bekomme das Unternehmen eine Rechnung zugestellt, die Stundensätze seien staatlich festgeschrieben, so Chicón.

Auch Yachtbesitzer werden zur Kasse gebeten, wenn sie ohne Treibstoff liegen bleiben, auflaufen oder sonstige Probleme haben. „Das wäre ja auch ungerecht, wenn das immer der Steuerzahler zahlen müsste. Es können sich schließlich nicht alle eine Yacht leisten. Ich jedenfalls nicht, und Sie wahrscheinlich auch nicht“, sagt der Seenotrettungsleiter augenzwinkernd zum MZ-Reporter. /tg

WIE SIE UNNÖTIGE NOT VERHINDERN

Chicón und sein Team hätten deutlich weniger Arbeit, wenn auf dem Meer grundlegende Sicherheitsmaßnahmen eingehalten würden. Die wichtigste von allen: "den Wetterbericht verfolgen", urteilt der langjährige Leiter des Salvamento Marítimo der Balearen. Und damit verknüpft "bei Unwetterwarnung nicht zur See fahren". Wind und Wellen hätten nichts mit Freizeitvergnügen oder Abenteuer zu tun. Gute Dienste leisten das spanische Wetteramt Aemet oder der Dienst Windy. Jedes noch so kleine Boot sollte zumindest über einen Navtex-Empfänger oder ähnliches Gerät verfügen, das sämtliche Warnungen wie ein Anrufbeantworter aufzeichnet.

Das Tragen von reflektierenden Schwimmwesten wird in spanischen Gewässern ab kommendem Jahr vorgeschrieben sein. Hielten sich wirklich alle daran, würde die Suche von über Bord gegangenen Personen erheblich vereinfacht.

Weitere Sicherheitstipps, einschließlich einer Checkliste für lebensrettende Dinge an Bord oder die richtige Kommunikation im Notfall, hat der Salvamento Marítimo in einer Broschüre zusammengestellt. Sie ist zu finden auf der Website salvamentomaritimo.es. Tipps in deutscher Sprache finden Sie darüber hinaus auf der Website

seenotretter.de