„Über den Tod will eigentlich niemand reden, das ist immer so.“ Jordi Vilà weiß, wovon er spricht. Als Leiter von Palmas städtischem Bestattungsunternehmen EFM sind Tod, Trauer, und Abschied sein Tagesgeschäft. Im Krematorium Bon Sosec – jenes auffällige Betongebäude bei Marratxí, das beim Vorbeifahren auf der Inca-Autobahn jedem sofort ins Auge fällt – werden jedes Jahr zwischen 1.100 und 1.300 Leichname eingeäschert.

Während der Pandemie mussten die Mitarbeiter Sonderschichten mit vielen Überstunden einschieben. Schon bevor in Spanien der Alarmzustand verhängt wurde, entschied man schon früh im Hinblick auf die katastrophale Lage in Italien, einen zweiten Verbrennungsofen zu bestellen, um Engpässe auf Mallorca zu vermeiden. Als dann während der härtesten Monate die Menschen täglich auf den Balkonen standen, um dem Gesundheitspersonal Beifall zu spenden, hätten die Bestatter im Krematorium gern auch etwas von der Anerkennung abbekommen. „Aber davon redet man lieber nicht“, winkt Vilà ab. Später gab es auch keine Priorisierung bei der Impfung – der Bestatter gehörte nicht zu den strategischen Berufen.

Ein Mitarbeiter des Bestattungsinstituts bedient die Knöpfe der Rampe, auf der die Särge in den Ofen geschoben werden. Nele Bendgens

Dass sich zu den Tagen um Allerheiligen ein deutschsprachiges Medium für das Thema Tod interessiert, freut die Mitarbeiter in Bon Sosec sichtlich. Der Reporter wird in jeden Winkel geführt und darf selbst in die Glut der Verbrennungsöfen schauen. Das Bestattungsinstitut versteht sich als moderner Dienstleister. „Wir sind zwar ein städtisches Unternehmen, aber wir sind ein Unternehmen“, sagt Vilà und führt nicht ohne Stolz durch die großzügig angelegte Architektur des Gebäudes.

Die Kapelle ist auf alle Religionen eingestellt. Meist sei sie zwar mit christlichen Kreuzen eingerichtet, aber „die lassen sich einfach wegnehmen, schließlich wollen immer mehr Familien eine weltliche Zeremonie“, so Vilà. Da Muslime meist Erdbestattungen wünschen, habe man sie selten als Kunden. Der direkt vor dem Krematorium liegende Friedhof gehört nicht zur EFM. „Und Orthodoxe benutzen oft so viel Weihrauch, dass wir das hier nicht durchführen können, wegen der Rauchmelder. Nur in Palma haben wir dafür eine geeignete Halle“, erklärt Vilà.

Das Bestattungsinstitut in Marratxí beeindruckt außen durch den weiten Ausblick auf die Tramuntana und innen durch die großzügige Raumgestaltung. Die Kapelle, die neun Aufbahrungsräume und das Krematorium sind auf 10.500 Quadratmeter Innenfläche verteilt. Großflächige Fenster lassen viel Licht in die mehrstöckige Anlage mit hohen Decken. Dass die üppige Ausstattung mit Zimmerpflanzen teilweise auch auf Kunststoffimitate zurückgreift, fällt erst beim zweiten Hinsehen auf. Die Weite der Anlage – und die damit mögliche Diskretion – seien die großen Vorzüge im Vergleich zu dem Bestattungsinstitut am Friedhof Palma, das ebenfalls von der EFM betrieben wird. „Bon Sosec hat Zukunft“, sagt Vilà, will die Pläne aber noch nicht näher ausführen.

Gedenkfeier der deutschen Gemeinden zu allerheiligen

Gedenkfeier der deutschen Gemeinden zu allerheiligen Tom Gebhardt

Das in den 1990er-Jahren als privater Luxusfriedhof geplante und nach dem Scheitern nach und nach von der Stadt Palma aufgekaufte Krematorium ist durchgehend von Montag bis Sonntag geöffnet. Die Hinterbliebenen mieten die Aufbahrungshallen meist für einen Vor- oder für einen Nachmittag. Gitano-Familien mieten häufig länger, weil sie ihre Toten bis zum letzten Moment nicht allein lassen wollen, erklärt Vilà. Die Totenwache kann also bis zur Einäscherung dauern, die in Spanien meist schon zwei oder drei Tage nach dem Todesfall erfolgt, während in anderen Ländern Wochen oder gar Monate vergehen können.

Überhaupt sei die Begegnung mit dem Leichnam in Spanien viel enger als in anderen europäischen Kulturen. Die Aufgabe des Bestatters ist es, den Toten herzurichten und unter einer Glaskuppel aufzubahren. Die Trauernden versammeln sich in einem Vorraum und nehmen einzeln oder in kleinen Gruppen Abschied vom Verstorbenen.

Die Trauernden schauen durch ein Fenster zu, wie der Sarg in den Ofen geschoben wird. Nele Bendgens

Während der Pandemie waren viele dieser Traditionen unterbrochen. „Das Schlimmste war, dass die Angehörigen nicht Abschied nehmen konnten“, erinnert sich Manuel Sánchez, der in den vergangenen Monaten die traurigsten Momente seiner zwölf Berufsjahre erlebte. „Wenn sich kleine Kinder nicht von ihrem verstorbenen Papa verabschieden dürfen, das ist schwer mit anzusehen“, so Sánchez.

„Oft konnten die Verwandten die Corona-Patienten ja gar nicht sehen. Der letzte Anblick war, wie sie zu Hause aus der Tür gingen, um in einen Krankenwagen zu steigen“, sagt Vilà. Krankenhausbesuche waren verboten, und im Sterbefall waren häufig auch die Angehörigen noch in Quarantäne, sodass sie zur Aufbahrung nicht kommen durften. „Manchmal baten uns die Familien hier in ihrem Namen eine Trauerfeier durchzuführen, die dann per Streaming übertragen wurde.“ Für die 94 Mitarbeiter des Instituts war das eine neue Herausforderung. Neben den üblichen Vorgängen – Transport, Herrichten, Schminken, Ankleiden und schließlich Einäschern des Leichnams – wurden sie auf einmal zu Schauspielern: als Redner oder Statisten in Trauerfeiern, während die echten Trauerfamilien nur zu Hause auf dem Bildschirm zuschauten.

Im Katalog des Unternehmens stehen solche Dienstleistungen nicht. Bestattungen in Bon Sosec kosten im Schnitt rund 2.700 Euro – samt Abholung des Toten, Aufbewahrung, Aufbahrung im Sarg, Saalmiete, Einäscherung und Urne, die man nach spanischem Recht einfach mit nach Hause nehmen kann. Teurer wird es, wenn Tote ins Ausland überführt werden und Bon Sosec die Behördenfragen samt Flugbuchung und Transportart regelt. Etwa 150 Särge werden jährlich ausgeflogen. Häufiger werden Verstorbene auf Mallorca eingeäschert und die Urne für den Transport versiegelt. Mit einem Dokument kann man die Urne auch einfach im Flieger mitnehmen. Nur einige Länder wie Italien verlangen zusätzlich eine Erlaubnis durch das jeweilige Konsulat in Spanien.

Zu Allerheiligen schmücken die Mallorquiner die Gräber ihrer Verstorbenen mit besonderer Hingabe. Nele Bendgens

Dieses Jahr darf Allerheiligen wieder fast normal begangen werden. Im Gegensatz zu 2020 sind für den Friedhofsbesuch weder Voranmeldung noch QR-Code nötig. Da der Feiertag auf Montag fällt, hoffen die Verantwortlichen auf eine gleichmäßige Verteilung der Besucher über die Tage Samstag, Sonntag und Montag. Der Friedhof Palma ist jeweils von 8 bis 21 Uhr geöffnet. Von der Porta de Sant Antoni aus fahren Pendelbusse. Das deutsche Konsulat und die deutschen Gemeinden auf Mallorca laden für Montag (1.11.) um 13 Uhr zum gemeinsamen Totengedächtnis in der Santa Cruz Krypta in Palma ein (zuvor um 12 Uhr Gottesdienst). /tg