Eines der bekanntesten Produkte Spaniens ist zweifellos der Schinken. Längst sind der jamón serrano oder der hochwertigere jamón ibérico ein Exportschlager geworden, besonders in China. Spanien verkaufte 2020 fünf Millionen Tonnen Schweinefleisch, was weltweit den vierten Platz hinter China, den USA und Deutschland bedeutet. Bei der Zahl der Schweine haben die Spanier, mit 56,4 Millionen Tieren, die Bundesrepublik sogar überholt. Bei der Rindfleischproduktion liegt Spanien hinter Frankreich und Deutschland in Europa auf dem dritten Platz. Kaum verwunderlich, dass Spaniens Fleischindustrie eine Frage des nationalen Prestiges ist.

Nun hat der Minister für Verbraucherschutz, Alberto Garzón, eine ziemlich wilde Debatte ausgelöst, bei der es mehr um wahltaktische Positionierung als um Sachfragen geht. In einem Interview mit der britischen Zeitung „The Guardian“ kritisierte der Führungspolitiker des Linksbündnisses Unidas Podemos die Ausbreitung der sogenannten macrogranjas, also großer, intensiver Zuchtbetriebe. „Die finden ein Dorf in einer wenig besiedelten Gegend von Spanien und stecken dort 4.000, 5.000 oder 10.000 Rinder rein. Die verschmutzen den Boden, die Gewässer und dann wird dieses minderwertige Fleisch misshandelter Tiere exportiert“, sagte Garzón.

ALBA VIGARAY Alberto Garzón ist Minister für Verbraucherschutz bei der Zentralregierung.

Mit diesen Anmerkungen liegt Garzón im Trend internationaler Bemühungen um eine nachhaltigere und umweltschonendere Landwirtschaft. Doch einigen Agrarverbänden stießen die Worte übel auf. Die konservative Opposition witterte eine Torvorlage in Hinblick auf die vorgezogenen Regionalwahlen am 13. Februar in Kastilien und León, wo Landwirtschaft und Tierzucht eine herausragende Bedeutung haben.

Allgemeiner Angriff auf die Landwirte

Aus der Differenzierung zwischen nachhaltigen Kleinbetrieben und den macrogranjas, die oft großen Konzernen gehören, strickten die Gegner Garzóns direkt einen allgemeinen Angriff des Ministers auf die spanischen Landwirte. Die konservative Volkspartei (PP), die liberale Ciudadanos und die rechtsextreme Vox forderten den Rücktritt Garzóns und riefen Ministerpräsident Pedro Sánchez auf, ihn zu entlassen. „Ein weiterer Angriff auf unsere Züchter und Landwirte und das Ansehen unseres Landes“, wetterte der PP-Vorsitzende Pablo Casado auf Twitter.

„Ein weiterer Angriff auf unsere Züchter und Landwirte und das Ansehen unseres Landes“

Garzón und seine Mitstreiter in der Koalitionsregierung aus Sozialisten (PSOE) und Unidas Podemos beteuerten, dass die Worte des Ministers manipuliert worden seien. In der Tat gibt es in Spanien seit Längerem eine Debatte über das Modell der Viehzucht. Die Zahl kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Dafür haben sich immer mehr Großfarmen angesiedelt. Wie viele genau, ist nicht klar. Einige Schätzungen gehen zum Beispiel von mehr als 3.000 Betrieben aus, die mehr als 2.000 Schweine mit 30 Kilo Gewicht beherbergen.

Schweinezucht fällt negativ auf

Im Gegensatz zur extensiven Zucht laufen die Tiere nicht über die Weide, sondern werden hauptsächlich in einer Halle gehalten und mit Futter ernährt, oft aus dem Ausland importierte Ware wie Soja. Das bringt ökologische Probleme mit sich, wie hohe Emissionswerte von Methan, ein Gas, das zur Erderwärmung beiträgt. Boden und Gewässer werden verschmutzt. Spanien übertrifft seit zehn Jahren die von der Europäischen Union vorgegebenen Werte für Ammoniak. Im Dezember verklagte die Europäische Kommission Spanien beim Europäischen Gerichtshof wegen der Verletzung der Richtlinie für Nitratwerte.

Besonders die Schweinezucht fiel zuletzt negativ auf. Das dramatische Fischsterben im Mar Menor, einer einzigartigen Lagune in der Region Murcia, geht auf den Anstieg von Großfarmen zurück, wie Umweltschützer beklagen. In vielen ländlichen Gegenden hat es Proteste gegen die Ansiedlung der Großbetriebe gegeben. Diverse Regionalregierungen wollen dagegen angehen.

Doch daran haben sich in der Polemik um die Worte Garzóns viele Politiker nicht erinnert. So kritisierten etwa die sozialistischen Ministerpräsidenten von Kastilien-La Mancha, Emiliano García-Paje, und Aragón, Javier Lambán, die Äußerungen des Ministers ebenfalls als Diffamierung der Viehzüchter insgesamt. Auch die Konservativen wollten von ihrer früheren Kritik an den macrogranjas plötzlich nichts mehr wissen und löschten sogar entsprechende Mitteilungen auf Twitter.

Debatte noch nicht weit fortgeschritten

Garzón hat im vergangenen Jahr schon einmal mit Kommentaren einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, als er in einem Interview anregte, dass die Menschen in Spanien weniger Fleisch konsumieren sollten. Die Debatte über die ökologischen und anderen Kosten der Billigfleischproduktion ist in Spanien noch nicht so weit fortgeschritten wie etwa in Deutschland, wo die Zustände beim Hersteller Tönnies für Schlagzeilen sorgten und die neue Ampelkoalition den Großfarmen nun ebenfalls Einhalt gebieten will.

Hierzulande scheint eine differenzierte Diskussion über die Viehzucht vor den Wahlen in Kastilien und León nicht möglich zu sein. Die PP, die seit vier Jahrzehnten in der nach Fläche größten Region des Landes an der Macht ist, zuletzt in Koalition mit Ciudadanos, strebt eine absolute Mehrheit an. Daher kommt dem Regierungschef und Spitzenkandidaten, Alfonso Fernández Mañueco, ein Wahlkampf nach dem Motto „wir verteidigen unsere Landwirte gegen die Angriffe der Linken“ gerade recht. Auch die rechtsextreme Vox macht die Sache zum Kulturkampf, nach dem Vorbild anderer Länder: Die urbanen Eliten verfolgen eine Agenda, die den Klimawandel „dem Lebensstil unserer Landwirte anlastet“, so der Sprecher von Vox, Jorge Buxadé.