Die vier Probenbehälter wirken wie Spielzeug, so klein sind sie. In jedem sind ein paar Tropfen bunter Flüssigkeit. Orange, rosa, orange, rosa. Was Jaume Bassa da in den Händen hält, ist in seinen Augen aber alles andere als klein. Es ist das Ergebnis von zwei Jahren Arbeit. Das erste Produkt, das seine Firma auf den Markt gebracht hat. Es ist ein besonderer PCR-Test, Wissenschaftler kennen ihn unter dem Namen LAMP. Im Gegensatz zu normalen PCR-Tests sind die von Bassa billiger und schneller. Trotzdem wird es eine Herausforderung, sie auf den Markt zu bringen. „Es gibt viele Produkte, und die Labore haben alle schon Tests, die sie gut kennen und denen sie vertrauen“, erklärt Bassa.

GenoMi ist eine mallorquinische Firma mit Sitz in Consell. Jaume Bassa Burgdorf, ein Mallorquiner mit deutscher Mutter, ist der Geschäftsführer. Das Start-up wurde 2020 kurz vor der Pandemie gegründet, um schnelle PCR-Tests zu entwickeln. Eigentlich wollte Bassa an Tests für ein anderes Virus forschen, aber als Corona sich ausbreitete, änderte er sein Ziel. Während der Lockdown die Arbeit der Behörden verlangsamte und GenoMi lange auf Genehmigungen warten musste, beschleunigte die Pandemie seine Forschungsarbeit.

Die Firma GenoMi aus Mallorca hat einen schnellen PCR-Test entwickelt. Nele Bendgens

Selbst bei einer weltweiten Pandemie gibt es Gewinner. Die Forschung im Gesundheitsbereich hat in den vergangenen zwei Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Weltweit – und auch direkt vor der Haustür. GenoMi ist eine von 17 Firmen, die im Biotechnologie-Cluster der Balearen (BIOIB) zusammengeschlossen sind. Allein drei dieser Firmen wurden in den vergangenen zwei Jahren gegründet. Außer GenoMi mit ihren Schnell-PCRs, sind das Medical ASR, die Online-Rezepte und Video-Arztbesuche weiterentwickeln wollen, und Spotless, eine Firma, die Geräte zur Raumdesinfektion entwickelt. Viren und Bakterien sollen damit aus der Luft entfernt werden, für weniger Ansteckungen in geschlossenen Räumen. Auch da wieder war Corona der Innovationstreiber.

Corona-Pandemie macht Biotechnologie wichtiger

„Die Pandemie hat den Sektor in den Augen von Politik und Öffentlichkeit wichtiger gemacht“, sagt Tanit Mir, Geschäftsführerin des Clusters BIOIB. Mir erzählt, es gebe jetzt mehr Firmen, mehr Investitionen. Superstar des Clusters ist die Firma Sanifit, die zwei Doktoranden der Universität der Balearen (UIB) 2004 gründeten. Die Firma entwickelt ein Medikament gegen die Kalziphylaxie, einer seltenen, aber häufig tödlichen Gefäßerkrankung. Der Schweizer Konzern Vifor Farma hat Sanifit im November für über 205 Millionen Euro aufgekauft. Es ist der bisher größte Deal im spanischen Biotechnologie-Sektor. „Der Verkauf war eine fantastische Nachricht für das gesamte Ökosystem Biotech“, sagt der Gründer und Chef von Sanifit Joan Perelló. Seine eigene Firma verfüge dadurch über mehr Ressourcen und die Möglichkeit, die klinischen Forschungen auszuweiten.

Sanifit-Gründer Joan Perelló in seinem Büro im Technologiepark ParcBit. Guillem Bosch

Biotechnologie. Ein Wort, das nicht allzu greifbar ist. Andere Sektoren sind einfacher zu verstehen. Tourismus zum Beispiel. Jeder weiß, was ein Pilot macht, was ein Hotelier. Womit sich Biotechnologen beschäftigen, ist vielen hingegen unklar. Das Gesundheitswesen braucht sie, um Medizin und Impfungen zu entwickeln. In der Industrie helfen neue Technologien, in der Landwirtschaft und der Lebensmittelbranche. „Es ist ein weiteres Feld, als die meisten Menschen denken“, sagt Mir.

Biotechnologie-Cluster auf Mallorca will weiter wachsen

Weltweit gründen sich solche Cluster wie das in den Balearen, um die so verschiedenen Firmen der Branche miteinander zu vernetzen und die Zusammenarbeit mit Universitäten sowie Forschungsinstituten zu stärken. Außerdem erhoffen sich die Firmen mehr Aufmerksamkeit aus der Politik für den ganzen Sektor. „Jeder für sich wird nicht so leicht gehört“, sagt Jaume Bassa von GenoMi. Auch Joan Perelló von Sanifit findet es wichtig, sich zusammenzuschließen. „So können wir die Interessen der Forschung besser verteidigen“, sagt er. „Außerdem können wir so anderen Projekten helfen, die jünger sind und auf ähnliche Probleme stoßen wie wir zu Beginn.“

50 Prozent der privaten Forschungsinvestitionen auf den Balearen gehen an die 17 Firmen im Cluster. 15 Prozent des Personals aus dem Bereich Forschung auf den Inseln arbeiten für diese Unternehmen. „Die Biotechnologie-Sparte hat in den Balearen ein großes Wachstumspotenzial“, sagt Mir. Im Gegensatz zum Tourismus, der in ihren Augen nicht viel größer werden kann. „Außerdem generiert Biotechnologie ganzjährige Arbeitsplätze statt nur solche für die Sommersaison.“

Tanit Mir ist Geschäftsfürerin des Clusters für Biotechnologie (BIOIB) auf Mallorca. Privat

Um zu wachsen, sollen mehr Firmen ins Cluster kommen. Bisher sind nur Unternehmen aus Mallorca beteiligt, viele mit Hauptsitz im Parc Bit nördlich von Palma. Demnächst könnte noch eine weitere Firma von Menorca hinzukommen. Zusätzlich will das Cluster thematisch wachsen. Momentan sind die meisten Firmen aus der Gesundheitsbranche. „Wir wollen die Ernährung stärker in den Blick rücken“, sagt Mir.

Firma auf Mallorca stellt genetisch optimierte Doraden her

Aquicultura Balear ist eine Firma aus dem Cluster, die in der Lebensmittelbranche beheimatet ist. Das Unternehmen zieht Speisefische auf, vor allem Doraden und Wolfsbarsche. Im Hauptsitz von Aquicultura Balear beim Strand Es Carnatge in Palma werden die Tiere ausgesucht, deren Eier für die nächste große Zuchtgeneration verwendet werden sollen. Mithilfe von genetischen Untersuchungen stellen die Forscher fest, welche Fische am besten wachsen, am besten gegen Krankheiten gewappnet sind, am besten schwimmen. „Es ist keine Genmanipulation, sondern genetische Selektion“, betont Produktionsleiter Alberto Morente.

Bei Es Carnatge wachsen genetisch kontrollierte Fischeltern. Aquicultura Balear

Die untersuchten Fische sind mit Chips versehen, sodass am Ende klar ist, welcher Fisch welche genetischen Eigenschaften hat. „Es werden sozusagen die Eltern für die nächsten Fische gesucht“, sagt Morente. Dann fängt die Aufzucht an. Während dieser Zeit gibt es viele analytische Untersuchungen, um die Gesundheit der Tiere sicherzustellen. Hier kommt dann das Cluster ins Spiel. Die PCRs für Untersuchungen auf Krankheiten und Ähnliches bezieht die Fischfirma von Genosalud, ebenfalls Mitglied von BIOIB. Bis sie etwa 15 Gramm wiegen, sind die kleinen Fische noch in Es Carnatge, dann kommen sie ins Meer. An der spanischen Küste zieht Aquicultura Balear dann die Tiere in Netzgehegen auf, bis sie in den Verkauf kommen. Ein kleiner Teil der Tiere kommt statt in die großen Farmen in ein Meereslabor in der Nähe von Andratx. Dort führen die Wissenschaftler von Aquicultura Balear weitere genetische Proben durch und entwickeln teilweise sogar neue Fischarten.

Balearen-Regierung subventioniert die Forschung schwach

Dafür, dass Biotechnologie im Besonderen und Forschung im Allgemeinen als eine sogenannte Zukunftsbranche gilt, gibt es nur wenig Unterstützung vonseiten der Politik. Pro Einwohner investierte die Balearen-Regierung 2020 laut dem spanischen Statistik-Institut 110,1 Euro. Landesweit investierten nur die Kanaren noch weniger. Der spanische Schnitt lag bei 328,6 Euro. Und Spanien liegt europaweit eher im hinteren Bereich. „Wir sind die Letzten von den Letzten von Europa“, beschwert sich Jaume Bassa von GenoMi. Tanit Mir von BIOIB betont, dass gerade in den Anfangsjahren in der Forschung viele Ausgaben wenig Einkünfte ergeben. „Die ersten Jahre sind für die Firmen wie ein Tal des Todes“, sagt sie. Manchmal brauche es acht Jahre, bis ein Produkt auf den Markt komme und Einkünfte generiere. „Und es besteht immer die Gefahr, dass die Forschung schief geht.“

Ein weiteres Problem für den Cluster auf Mallorca ist die Suche nach Arbeitskräften. Morente von Aquicultura Balear sagt, gerade im Bereich der genetischen Forschung sei es schwierig, Personal auf der Insel zu finden. „Und durch die hohen Mieten muss man Talenten ein gutes Gehalt bieten, damit sie vom Festland oder anderen europäischen Ländern hierherkommen.“ Auch Jaume Bassa kennt das Problem der Personalsuche. Es sei schwierig, den Menschen zu vermitteln, wie gut das Leben auf Mallorca sei. „Menschen vom Festland stresst der Gedanke, auf eine Insel zu kommen. Sie fühlen sich hier eingeschlossen.“

Firmen aus Mallorcas Biotechnologie-Cluster hoffen auf EU-Gelder

Allen Problemen zum Trotz: Die Firmen sind sich einig, dass die Pandemie den Stellenwert ihrer Branche erhöht hat. Im Moment hoffen die Cluster-Mitglieder auf einen besonderen Geldsegen. Die EU will über den Fonds Next Generation insgesamt 140 Milliarden Euro nach Spanien überweisen. Ein Teil muss in Forschung und Entwicklung fließen. Die BIOIB-Mitglieder haben sich als Cluster beworben, so seien die Chancen höher, sagt Morente.

Für Tanit Mir liegt die Stärke des Clusters in den vielen kleinen Kooperationen wie zum Beispiel der zwischen Aquicultura Balear und Genosalud. Die Firmen ergänzten sich gegenseitig, statt in Konkurrenz zu treten. „Dafür sind sie alle zu verschieden.“ Schließlich kann Biotechnologie überall stecken.