Den Ukraine-Krieg erleben viele Menschen auf Mallorca in Form von Einzelschicksalen. Die ukrainische Nachbarin, die sehnlichst auf ihre Familie wartet, der Bekannte, der zerbombte Bilder seiner Heimatstadt zeigt. Ivan Milian bangt um seine eigene Familie und kümmert sich gleichzeitig um viele andere, denen es ähnlich geht. Gleichzeitig packt der Pfarrer der ukrainischen Kirche an der Playa de Palma mit an, organisiert Hilfsgüter und Transporte an die polnisch-ukrainische Grenze. Am Wochenende hat er selbst einen Bus mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Sachspenden nach Polen gefahren.

Warum sind Sie selbst mit nach Polen gefahren?

Wir hatten schon drei Busse mit Hilfsgütern vollgeladen und wussten nicht, wie wir sie in die Ukraine bringen sollten. Ich habe einen der Busse gefahren, dort alles ausgeladen und dafür gesorgt, dass die Spenden in einem anderen Gefährt in die Ukraine kommen.

Was haben Sie auf der Reise erlebt?

Als wir Richtung Polen gefahren sind, haben wir viele Autos mit unterschiedlichen Kennzeichen gesehen. Deutsche, Österreicher und viele Polen waren unterwegs zur Grenze. Dort haben sie dann ihre Hilfe angeboten. Es hat mich berührt zu sehen, wie viele Menschen helfen wollten. An der Grenze waren dann unglaublich viele Ukrainer. Viele Flüchtlinge. Menschen, die alles verloren hatten, kein zu Hause mehr hatten. Es war sehr hart, das zu sehen. Es war kalt, die Menschen hatten Angst. Es waren viele Emotionen auf einmal. Auf einem Parkplatz standen verschiedene Autos und Busse mit Schildern, auf denen angeboten wurde, Ukrainer nach Deutschland oder in andere Länder mitzunehmen.

Haben Sie auf Ihrem Rückweg auch Menschen mitgenommen?

Nur eine Frau und ihre Tochter. Viele wollten nach Italien, nach Deutschland, nach Estland oder Lettland. Aber Spanien ist für viele von ihnen weit weg.

Hilfsgüter über Grenzen fahren, Kisten verladen, Flüchtlinge in andere Länder mitnehmen. Das sind alles nicht die typischen Aufgaben eines Pfarrers.

Ich bin ein ganz normaler Arbeiter. Ich werde ohne zu zögern jede Art von Arbeit machen, wenn ich damit Menschen helfen kann. Und ich bin ja nur ein kleiner Teil des Ganzen. So viele Menschen helfen mit! Neulich musste ich den Gottesdienst draußen abhalten, weil sich in der Kirche die Spenden türmten. Es ist eine extreme Situation. Eine mutige Frau hat einen unserer Busse in die Ukraine hineingefahren. Ich kann nicht in das Land fahren, denn dann dürfte ich die Ukraine nicht mehr verlassen (Männer im wehrpflichtigen Alter müssen in der Ukraine bleiben, Anm. d. Red.). Und diese mutige und großzügige Frau hat das für uns gemacht.

Sie sind Ansprechpartner für viele Ukrainer auf der Insel. Wie geht es den Mitglieder Ihrer Gemeinde ?

Die Menschen, die wirklich leiden, sind die in der Ukraine. Die Menschen hier dagegen sind wütend und fühlen sich hilflos. Als der Krieg angefangen hat, haben alle während der Messe geweint. Alle. Wir leiden hier auch. Es sieht aus, als wären wir im Frieden, aber wir leiden mit all denen, die in der Ukraine geblieben sind. Wir können nur beten, dass es bald Frieden gibt. Wir helfen, wo wir können. Aber es ist sehr hart, zusehen zu müssen bei all dem, was passiert. Wir fühlen uns sehr hilflos. Aber gleichzeitig werden wir immer stärker. Wir haben die große Hoffnung, dass alles gut wird. Dass dieser Albtraum aufhört.

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Haben Sie Angst um Ihr Land?

Am Anfang hatte ich Angst, aber jetzt habe ich Hoffnung. Wir werden kämpfen und diesen Krieg gewinnen.

Es kommen jetzt auch Geflüchtete auf die Insel. Was wird da Ihre Rolle sein?

Ukrainer, die hierherkommen, können sich gerne bei der Kirche melden. Ich helfe Ihnen dann weiter, erkläre Ihnen, wo sie Hilfe finden. Aber Unterkünfte organisieren vor allem das Rote Kreuz und die Politik.

Haben Sie selbst noch Familienmitglieder in der Ukraine?

Meine Mutter und meine zwei Brüder. Meine Brüder sind Zivilisten, beschützen aber bewaffnet ihre Stadt. Meine Familie lebt in der Nähe der Grenze zu Belarus, und deswegen haben sie Angst, dass durch den Wald in der Nähe ein Angriff kommt. Sie sind jetzt durchgehend auf der Hut.

Sie haben alle Hände voll tun. Schaffen Sie es überhaupt, sich ein wenig auszuruhen?

Ich schlafe nur, um wieder zu Kräften zu kommen. Und selbst in meinen Träumen packe ich Kisten und fahre Busse. Solange unsere Familien nicht sicher sind, können wir alle nicht ruhig schlafen.