Eine Richterin auf Mallorca hat gegen 21 Marokkaner Anklage erhoben, die im vergangenen November nach der Notlandung eines Flugzeugs am Flughafen von Palma de Mallorca ohne Befugnisse aus der Maschine ausgestiegen und geflohen sind. Der Vorfall hatte europaweit für Aufsehen gesorgt. Offenbar liegen ausreichend Indizien vor, die darauf hinweisen, dass es sich um eine lange geplante Aktion handelte, um illegal in Spanien einzureisen. Die Männer müssen sich nun wegen Nötigung, Aufruhr und illegaler Einwanderung vor Gericht behaupten.

Wie die Ermittler schon kurz nach der Notlandung vermuteten, deute vieles darauf hin, dass die Marokkaner den Flug der Air Arabia am 5. November 2021 von Marokko in die Türkei extra wegen eines vorgetäuschten medizinischen Notfalls zum Zwischenstopp in Palma zwangen. Zwei Migranten, die zu dem Zeitpunkt bereits auf Mallorca gelebt hatten, sollen den Flüchtenden zudem dabei geholfen haben, zu entkommen, nachdem sie die Maschine fluchtartig über das Rollfeld verließen. Die 21 Flüchtigen, die Polizeibeamte in den Tagen nach der Notlandung nach und nach auf Mallorca aufspürten, sollen weiter im Gefängnis bleiben. Von vier weiteren fehlt noch immer jede Spur.

Diabetischer Anfall weckt Zweifel

Wichtiges Indiz bei der Beweisführung ist ein ärztliches Gutachten, das besagt, dass der Mann, der während des Flugs angeblich einen diabetischen Anfall erlitt, keinesfalls unter der Krankheit leide. Auch handele es sich bei den zwei Passagieren, die sich als Ärzte ausgaben und dem Flugpersonal dringend zu einer Notlandung rieten, da der angebliche Diabetiker sonst in kürzester Zeit versterben könne, mutmaßlich nicht um professionelles ärztliches Fachpersonal. Stattdessen waren möglicherweise auch sie in den Plan eingeweiht. Tatsächlich konnte im Son-Llàtzer-Krankenhaus, in das der Mann gebracht wurde, nichts Besorgniserregendes festgestellt werden, sodass er kurz darauf wieder entlassen wurde.

Einmal gelandet, hätten 23 Passagiere das Personal bedrängt, sie aussteigen zu lassen, angeblich, um Zigaretten rauchen zu können. Als die Flugbegleiter zögerten, sollen die Männer sie beiseite gedrängt und ihnen dabei auch leichte Verletzungen zugefügt haben. Dabei widersetzten sie sich klar den Anweisungen des Piloten. Auf dem Rollfeld angelangt, sprintenten die Marokkaner los und überwanden die Einzäunungen des Flughafengeländes.

Facebook-Post ist Hinweis auf Vorsätzlichkeit

Ebenfalls als Hinweis auf die Vorsätzlichkeit der Flucht wertet die Richterin eine Veröffentlichung bei Facebook, etwa fünf Monate vor der Notlandung. Darin ist die Rede von einem ganz ähnlichen Coup, um illegal nach Europa einzureisen. Die Entscheidung, den Männern den Prozess zu machen - und sie nicht, wie im Fall der Bootsmigranten, einfach wieder in ihr Heimatland abzuschieben - begründet die Richterin damit, dass das Spektakel ein regelrechtes "Flugchaos" hervorgerufen und die Sicherheit am Flughafen gefährdet habe.

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Nach der Flucht der Passagiere war der Flugverkehr in Palma de Mallorca für drei Stunden unterbrochen worden, davon waren 81 Flüge betroffen. 48 starteten oder landeten mit Verspätung, 19 mussten abgesagt und 14 umgeleitet werden. Die Aktion der Migranten, so die Richterin, sei schwerwiegend genug, um sie als "tumultartig und aufrührerisch" zu bezeichnen und habe "schwerwiegende Folgen" gehabt. In den kommenden Wochen sollen die Angeklagten vor Gericht aussagen. Bisher bestreiten sie, dass die Notlandung inszeniert und die Flucht geplant war. /somo