Man könnte meinen, dass die große Not auf Mallorca vorbei ist. Viele Saisonkräfte sind in die Arbeitswelt zurückgekehrt, Hotels und Restaurants suchen händeringend nach Personal. Jobs sind genügend da. Die Schlangen an den Ausgaben von Lebensmitteln werden aber nicht kürzer. „Viele Leute bitten uns, sie nicht von unserer Liste zu streichen, obwohl sie mittlerweile eine Arbeit haben“, sagt Carolina Senders.

Die Argentinierin koordiniert die Hilfsangebote bei der Tafel Tardor in Palma. „Die Menschen müssen die Schulden abbezahlen, die sie in zwei Jahren angehäuft haben. Viele leben von der Hand in den Mund. Sie müssen in acht Monaten das Einkommen für das ganze Jahr erwirtschaften. Das ist meistens unmöglich“, sagt Wolfgang Krämer, Leiter des Projekts „Comida para todos“ des Lions Club Palma.

30 Prozent weniger Spenden für Hilfsorganisationen auf Mallorca

Zudem haben sich die Bedingungen, unter denen die sozialen Einrichtungen arbeiten, eher verschlechtert als verbessert. So ist die Höhe der Spenden, die den Lions Club erreicht, seit November rapide gesunken und beträgt nun nur noch 70 Prozent des monatlichen Durchschnitts des Vorjahres. „Die Spendenbereitschaft für die Ukraine ist enorm. Da bleibt Mallorca nun ein bisschen außen vor“, sagt Krämer. „In der Anzahl gibt es vielleicht weniger Hilfsbedürftige. Denjenigen aber, die Hilfe brauchen, geht es schlechter denn je, da die Preise für Strom, Benzin und Lebensmittel in die Höhe geschossen sind.“

Die Lieferwagen des Lions Club Palma fahren seit 13 Jahren die Lidl-Filialen auf der Insel ab und sammeln aussortiertes Obst und Gemüse ein. Etwa 30 Tonnen Lebensmittel kommen dabei im Monat zusammen, die an bis zu 15 Organisationen verteilt werden. Allein 8.000 Euro Fixkosten entstehen bei dem Projekt durch zwei fest angestellte Mitarbeiter, die Kosten für Benzin und die Instandhaltung der zwei Lieferwagen. „Wenn es nun bald wärmer wird, steigen auch die Ausgaben, da wir mehr Benzin verbrauchen, um die Ware in den Wagen zu kühlen“, sagt Krämer.

Das Projekt wird neben Spenden durch Sponsoren finanziert. Wer Interesse hat, kann noch eine der freien Werbeflächen auf dem Laster erwerben. „Wir haben zudem in der Pandemie so viele Spenden eingenommen, dass wir langfristig gedacht und Rücklagen angespart haben“, sagt Krämer. Neben dem Obst und Gemüse kauft der Lions Club Palma noch von den Organisationen bestellte Produkte hinzu. Dabei handelt es sich in der Regel um Reis, Nudeln oder Hygieneartikel. Je mehr Spendengelder da sind, umso mehr kann gekauft werden.

Ehrenamtliche Helfer auf Mallorca gesucht

Nicht nur die Spendenbereitschaft hat nachgelassen, auch der Wunsch, selbst mit anzupacken. Während der kritischen Phase der Pandemie konnten sich die Organisationen vor Freiwilligen kaum retten und mussten einigen sogar absagen. Das hat sich nun geändert. „Viele unserer Helfer waren selbst bedürftig und haben im Gegenzug ausgeholfen. Wir konnten uns vor Köchen kaum retten. Nun haben wir keinen Koch und müssen schauen, wie wir das Essen auf den Tisch bringen“, sagt Carolina Senders. 10.000 Mahlzeiten verteilt Tardor pro Woche, sei es in Form von Lebensmittelpaketen oder als warme Mahlzeiten. Mit Letzteren werden auch zwei Wohnheime versorgt. „Für die Lebensmittelausgabe stehen bei uns 35 Familien auf der Warteliste. Ihnen können wir nur die gekochten Gerichte anbieten. Eine warme Mahlzeit verwehren wir niemanden“, sagt Carolina Senders.

Mit „Comida para todos“ arbeitet Tardor seit Ende Februar zusammen. Hilfreich ist auch das im vergangenen Dezember erlassene spanische Gesetz, das die Supermärkte dazu anhält, ihren Müll, soweit es geht, zu reduzieren und noch brauchbare Lebensmittel an die Tafeln zu spenden. Neben helfenden Händen, die die Waren abholen und sortieren, fehlt es auch an Platz. „Wir wären gerne wie früher eine Armenspeise im eigentlichen Sinn und würden den Bedürftigen ihren Teller hinstellen. Die vielen Leute passen aber nicht in unser Lokal. Die Tupper-Behälter kosten ein kleines Vermögen. Viele Bedürftige werfen sie in der Umgebung auf die Straße, was die Anwohner aufregt“, sagt Carolina Senders.